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Der erste beschriebene Plastikmüll im Meer waren Millionen benutzter Kondome

War die Wiederverwertung von Abfall früher ein Zeichen von Armut, so betreiben heute reiche Gesellschaften das Recycling aus umweltpolitischen Überlegungen.
Publiziert: 02.01.2024 um 06:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.12.2023 um 10:45 Uhr
Eine Nebenfolge wohlhabender Gesellschaften: Abfall auf Zürichs Strassen nach der Streetparade 2023.
Foto: Sven Ziegler
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Daniel ArnetRedaktor Gesellschaft / Magazin

Kartonverpackungen, Säcke voll Styroporkugeln und entschmückte Tannenbäumchen: Nun türmen sie sich wieder an den Strassenrändern, die Abfälle vom Weihnachtsfest. Jahr für Jahr verursachen wir in dieser Zeit rund einen Fünftel mehr Müll. Und in mancher Tonne landet auch gleich das Selbstgebastelte vom Göttibub (Papier), die zu kleinen Socken der Grossmutter (Kleider) und die leer getrunkene Flasche Wein vom Onkel (Glas) – «O du fröhliche, o du selige / gabenbringende Weihnachtszeit!»

«Laut einer Studie der Weltbank fielen im Jahr 2016 geschätzte 2,01 Milliarden Tonnen Hausmüll an», schreibt der deutsche Historiker Roman Köster (48) in seinem unlängst erschienenen Buch zur Geschichte des menschengemachten Abfalls. Und falls die Menschheit keine drastischen Massnahmen ergreife, falle im Jahr 2050 die Menge von weltweit etwa 3,4 Milliarden Tonnen Hausmüll an, so Köster, der seine Habilitationsschrift zu «Hausmüll. Abfall und Gesellschaft in Westdeutschland 1945–1990» geschrieben hat.

«Müll ist nichts, was sich wohlhabende Gesellschaften leisten», schreibt der Wissenschaftler für Wirtschafts-, Technik- und Umweltgeschichte. «Müll ist vielmehr eine Nebenfolge davon, warum Gesellschaften wohlhabend sind.» In armen Ländern durchwühlen die Menschen den Abfall auf der Suche nach wiederverwertbarem Material, in reichen Ländern sammelt man etwa Papier oder Glas aus anderen Überlegungen. Köster: «Ab den 1970er-Jahren wurde Recycling zu einem grossen Thema in den umweltpolitischen Debatten.»

Tatsächlich hat sich der Blick auf den Müll im Lauf der Geschichte verändert: «In der Vormoderne waren Abfälle vor allem ein praktisches Problem», schreibt Köster. «Sie lagen herum, rochen schlecht und behinderten den Verkehr.» Im Industriezeitalter ab 1850 waren sie ein hygienisches Problem, das Krankheiten wie Typhus oder Cholera begünstigte. Nach dem Zweiten Weltkrieg bekam man die Infektionsgefahr zunehmend in den Griff, aber die Giftstoffe des Mülls belasteten zusehends die Umwelt.

Dabei diente mehr und mehr das Meer als Deponie: So versenkten die Briten seit den 1960er-Jahren die radioaktiven Überreste ihrer Atomkraftwerke in der Irischen See, und die Sowjetunion hatte die Arktische See als ihren «Dumping Ground» auserkoren. Und ein erster Bericht von Plastik im Ozean stammt vom britischen Autor Aldous Huxley (1894–1963), der am Strand von Santa Monica (USA) weisse Objekte wie tote Raupen entdeckte – Millionen benutzter Kondome aus dem Abflussrohr von Los Angeles.

Während die städtische Kanalisation eine Errungenschaft der Industrialisierung ist, verfütterte man den Müll zuvor häufig den Schweinen, «den Müllmännern der vormodernen Stadt». Gab es früher Lumpensammler für die Papierherstellung, begann man ab 1870 mit der Verbrennung von Abfall. «Man sollte sich klarmachen, dass die Vergangenheit nicht die Rezepte bereithält, um heute die Müllmengen dauerhaft zu reduzieren», schreibt Historiker Köster – damit wäre seiner Meinung nach in den aktuellen Diskussionen viel gewonnen.

zVg
Roman Köster

«Müll – eine schmutzige Geschichte der Menschheit», C. H. Beck

zVg

«Müll – eine schmutzige Geschichte der Menschheit», C. H. Beck

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