Zur Sache! Neue Non-Fiction-Bücher
Blut gehört zu den teuersten Flüssigkeiten

«Das Mülirad isch broche», heisst es am Schluss des Guggisberglieds – schon diese alte Schweizer Volksweise scheint erkannt zu haben, dass das Herz bloss ein Mühlrad im Fluss ist.
Publiziert: 10.12.2023 um 09:48 Uhr
Ein Liter für 400 Dollar: Blut ist die zehntteuerste Flüssigkeit der Welt.
Foto: Keystone
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Daniel ArnetRedaktor Gesellschaft / Magazin

Neulich habe ich mich mit dem Küchenmesser geschnitten – nur spitz in den Daumen, nicht tief, aber es blutete. Reflexartig drückte ich mit der anderen Hand auf die Wunde. «Wenn es blutet, ist Draufdrücken immer eine Option», schreibt Reinhard Friedl. Und der deutsche Arzt muss es wissen, denn er hat schon Tausende von Herzen operiert. «Herzchirurgen sind genau genommen Blutchirurgen», so Friedl. Er könne Blut zwar nicht nähen, aber dafür sorgen, dass es die richtigen Impulse bekomme und in den richtigen Bahnen fliesse.

«Blut, der Fluss des Lebens» heisst sein unlängst erschienenes 300-Seiten-Werk, das bereits auf der «Longlist zum besten Wissenschaftsbuch des Jahres 2024» steht. Aber keine Angst, der Mediziner schreibt nicht im Fachjargon, sondern sehr verständlich. Er berichtet mit anschaulichen Beispielen aus seinem Nähkästchen und schaut darüber hinaus. «Wasser ist das Blut der Erde, und Blut hat den Salzgehalt der Ozeane», so Friedl. «Unser Körper besteht zu 70 Prozent aus Wasser, und zu 70 Prozent bedeckt dieses auch die Erde.»

Jeder Mensch eine kleine Welt: «Blut ist das Organ, das lautlos und geschmeidig in allen anderen Organen fliesst, sie ausfüllt, ihnen Leben verleiht und sie verbindet.» Das macht Blut zu einem begehrten Gut: Mit einem jährlichen Wert von 126 Milliarden Dollar steht es auf Rang 14 der weltweit am häufigsten gehandelten Waren. Und mit 400 Dollar pro Liter ist es auf Platz zehn der teuersten Flüssigkeiten – hinter einem Skorpiongift gegen Arthritis (Platz eins), dem Parfum Chanel No. 5 (Platz sechs) und schwarzer Druckertinte (Platz 8).

Dass das Blut im Kreis fliesst und dorthin zurückkehrt, wo es seinen Ausgang genommen hat, nämlich zum Herz, hat der englische Arzt William Harvey (1578–1657) herausgefunden. Mit seiner Entdeckung machte er sich allerdings wenig Freunde. Viele Mediziner glaubten weiterhin an die Theorie des griechischen Arztes Galenos von Pergamon (129–216), nach der das Herz eine Flamme ist, die Brennstoff in Form von Nahrung und Blut verbrennt; den daraus entstehenden Rauch atmet man über die Lunge aus.

Wir mögen das heute belächeln, doch auch die Vorstellung von der Pumpe ist infrage gestellt: «Ist das Herz das Mühlrad im menschlichen Körper, das den Blutstrom antreibt, oder ist es auch beim Menschen so, dass der Fluss die Mühle bewegt?», fragt Friedl. Und er weist darauf hin, dass viele wissenschaftliche Daten darauf hindeuten, dass «am Anfang der Fluss» war. Und auch am Schluss, denn viele Herzchirurgen kennen das Phänomen, dass sich das Herz mit dem letzten Schlag nicht entleert, sondern immer mehr mit Blut füllt.

«Nun werden Sie zu Recht fragen: Wozu braucht man dann ein rhythmisch kontrahierendes Herz, wenn unser Blut auch alleine fliessen kann?» Gemäss neusten Erkenntnissen unterbricht das Herz den bereits vorhandenen Blutfluss rhythmisch und wandelt ihn in Drucksignale um. «Der Druck, den das Herz in den Arterien erzeugt, dient nicht dem Transport des Blutes, sondern als eine Gegenkraft zur Schwerkraft», schreibt Friedl.

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Dr. Reinhard Friedl

«Blut, der Fluss des Lebens – wie Körper und Geist, Wirtschaft und Kultur mit unserem roten Organ verwoben sind», Goldmann

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«Blut, der Fluss des Lebens – wie Körper und Geist, Wirtschaft und Kultur mit unserem roten Organ verwoben sind», Goldmann

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