Auf meine letzte Kolumne habe ich viele Rückmeldungen bekommen. Das Thema Essen treibt um. Es ist etwas, mit dem wir uns tagtäglich auseinandersetzen. Und wir nähern uns mit grossen Schritten dem Advent und Weihnachten – der Hochsaison an Köstlichkeiten und Festessen. Besonders viel Interesse rief allerdings der Teil über die Verfütterung eigener Tiere hervor.
Was auf den ersten Blick befremdlich erscheinen mag, macht auf den zweiten Blick viel Sinn: Unsere Fleischfresser im Zoo brauchen Fleisch. Ob unsere Schneeleoparden ein Stück von einer Kuh aus dem Zürcher Umland oder ein Stück von einer Antilope aus dem Zoo fressen, macht für den Schneeleoparden keinen Unterschied. Im Gegenteil wissen wir bei der Antilope ganz genau, dass sie sich nur vom besten Gras ernährt hat, ohne unnötige Medikamente oder Antibiotika. Und wir haben die Gewissheit, dass die Antilope bis zur Schlachtung ein wunderbares Leben hatte, jeden Tag in ihrer Herde draussen auf unserer weitläufigen Lewa-Savanne unterwegs sein konnte – etwas, was nicht jeder Kuh geboten wird.
Zudem kommt es bei manchen Tierarten im Zoo immer wieder vor, dass es überzählige Tiere gibt. Doch was bedeutet «überzählig» in diesem Zusammenhang? Bleiben wir bei den Antilopen.
Auf unserer Lewa-Savanne haben wir gleich zwei Arten, Impalas und die in der Natur leider ausgestorbenen Säbelantilopen. Für die Impalas führt der Zoo seit kurzem das Europäische Erhaltungszuchtprogramm (EEP), ist also für alle Impalas in europäischen Zoos verantwortlich. Impalas leben in Gruppen von mehreren Weibchen mit ihren Jungtieren, aber mit nur einem erwachsenen Männchen. Das heisst, auf ein Männchen kommen mehrere Weibchen.
In jeder gesunden Population braucht es Neugeborene. Nur dann bleibt die Population stabil, und es gibt genügend Jungtiere, um alte, gestorbene Tiere zu ersetzen. In der Natur werden allerdings ungefähr gleich viele Männchen und Weibchen geboren, was Sinn macht. Denn Männchen, die keine Weibchengruppe für sich finden, die allein oder mit anderen Männchen leben, werden leicht zur Beute von Fressfeinden. Es braucht also viele junge Männchen, damit am Ende genügend erwachsene Männchen übrig bleiben.
In Zoos fällt dieser Faktor weg. Da es unseren Impalas an nichts mangelt, sie immer genügend Futter bekommen, keine Fressfeinde, Krankheiten oder Parasiten haben, überleben hier alle, egal ob Männchen oder Weibchen. Daher kommt es automatisch zu einem Überschuss an erwachsenen Männchen. Diese können dann nicht mehr bei uns bleiben, sondern werden durch das EEP an andere Zoos vermittelt. Gibt es aber keine freien Plätze, werden sie stattdessen an unsere Raubtiere verfüttert.
Für unsere Raubtiere ist dies eine willkommene Abwechslung und ein grosser Genuss. Sie bekommen einwandfreies Fleisch aus eigener, guter Haltung.