Der schreckliche Krieg in der Ukraine macht uns alle fassungslos. Welche Rolle spielen alltägliche Dinge, wenn in Europa ein Land überfallen wird und Hunderte Zivilisten im Kugelhagel ums Leben kommen? Krieg macht krank – auch aus der Ferne. Ignoranz ist schlimm, aber Ablenkung von Zeit zu Zeit wichtig.
Hansjörg Wyss scheint diesen Ratschlag zu befolgen. Der Schweizer Milliardär hat am Mittwoch bei uns im Blick verraten, den englischen Top-Klub FC Chelsea kaufen zu wollen. Einige Stunden und viel Wirbel im englischen Blätterwald später verkündete Chelsea-Besitzer Roman Abramowitsch tatsächlich, dass er den Champions-League-Sieger von 2021 verkaufen werde.
Abramowitsch, ein russischer Oligarch mit engen Beziehungen zu Kreml-Chef Wladimir Putin, steht auf der Insel unter Druck. Er muss den FC Chelsea schnell loswerden, weil ihm in Grossbritannien Sanktionen drohen. Wyss steht mit einem amerikanischen Konsortium rund um Todd Boehly bereit, zuzuschlagen. Übers Wochenende wird verhandelt.
Wyss will Chelsea befreien
Der Krimi um den FC Chelsea spitzt sich in diesen Tagen auf der Insel also zu. Hier in der Schweiz haben sich viele Blick-Leserinnen und Leser gefragt, warum der Schweizer Hansjörg Wyss einen englischen Fussballklub kaufen will. Und das zu Recht! Wir hätten in der Schweiz genügend Klubs, die Wyss' Unterstützung gebrauchen könnten.
Der gebürtige Berner ist ein überzeugter Westler. Wenn es nach ihm gehen würde, wäre die neutrale Schweiz viel näher an den politischen Westen angebunden. Diese ideologischen Überzeugungen dürften auch bei seinem Kaufinteresse für Chelsea eine wichtige Rolle spielen.
Warum nicht GC, YB oder Frauenfussball?
Wenn es ihm als Westler darum geht, einen Klub aus den Händen von Leuten wie Abramowitsch zu befreien, könnte er dasselbe beim Grasshopper Club Zürich tun. Offiziell ist die Chinesin Jenny Wang Besitzerin, inoffiziell ist GC Teil des Fosun-Konglomerats.
Wie alle grossen chinesischen Firmen steht auch Fosun unter dem Einfluss der kommunistischen Volkspartei und Machthaber Xi Jinping. Jener Mann, der in der Region Xinjiang laut westlichen Geheimdiensten über zwei Millionen Uiguren in Konzentrationslager gesperrt hat.
Hansjörg Wyss könnte auch seinem alten Berner Kollegen Hans-Ueli Rhys unter die Arme greifen, der den Klub nach dem Tod seines Bruders Andy im Jahr 2018 alleine tragen muss. Oder den Nachwuchsfussball zusammen mit dem Frauenfussball fördern, wo man auch immer knapp bei Kasse ist?
Wyss ist ein grosser Philanthrop
Statt GC, YB oder die Juniorinnen des SC Veltheim soll es nun also der FC Chelsea sein. Dort erwarten Wyss und seine amerikanischen Kollegen grosse Fussstapfen, sollte der Deal tatsächlich zustandekommen. Abramowitsch war bei den Fans äusserst beliebt und erfolgreich. Gewinnt die Schweiz-Amerikanische-Gruppe keine Titel, wird es schnell ungemütlich werden.
Hansjörg Wyss kann mit seinem Geld natürlich tun und lassen, was er will. In den vergangenen Jahren war da viel Gutes dabei: Wyss zählt zu den grössten Philanthropen dieser Welt, hat bereits Milliarden in umweltfreundliche Projekte investiert.
Also, werter Herr Wyss: Wenn es mit dem FC Chelsea jetzt doch nicht klappen sollte oder Ihnen der Druck nach einigen Jahren zu gross wird, dann schauen Sie doch in die Schweiz: GC, YB, der SC Veltheim und viele weitere Klubs könnten Ihre Hilfe gut gebrauchen. Die Schweizer Fussballfamilie würde danken.