Wie steht es ums Recycling von Plastik in der Schweiz? Ich habe von verschiedenen Initiativen gelesen, die erfolgversprechend sein sollen, aber in meinem Alltag bisher nicht stattfinden.
Röfe Klopfenstein
Martin Vetterli: Plastik ist eigentlich eine unglaubliche Erfindung. Sie fing vor circa einem Jahrhundert an, die Welt zu erobern. Als relativ leichtes Material, das in jede beliebige, feste Form gebracht werden kann, bot es sich nämlich für fast alles an, vom kleinen und leichten Einkaufssack bis zum grossen Container. Das Problem ist aber, dass diese Kunststoffe grösstenteils aus Erdöl und anderen fossilen Brennstoffen hergestellt werden. Und während die Herstellung von Plastik schnell und billig ist, erfolgt ihr Abbau nur sehr langsam, vor allem in natürlichen Ökosystemen. Dies macht Plastik heute zur Ursache weitverbreiteter Umweltprobleme.
Es ist daher äusserst wichtig, schnellstmöglich Methoden zu finden, die solche Kunststoffe wieder effizient in ihren ursprünglichen Zustand aufspalten. Dazu gibt es heute zwar viele Ansätze, aber keiner ist wirklich zufriedenstellend. Genau deshalb brauchen wir Forschung!
Ich erlaube es mir für einmal, für meine Lieblingsschule zu werben, die EPFL, und zwei solche Ansätze aufzuzeigen. Einer davon ist ein bereits fortgeschrittenes Spin-off mit dem Namen DePoly. Es hat das Problem des PET-Recyclings in Angriff genommen. Selbst wenn heute ein Teil der Wegwerfflaschen aus PET nämlich bereits recycelt wird, machen sie nur einen Bruchteil des gesamten PET-Abfalls aus. Der Rest – Kleidung, Verpackungen, Schuhe – kann nicht mit traditionellen Methoden recycelt werden und wird verbrannt oder deponiert. DePoly hat ein chemisches Recyclingverfahren entwickelt, mit dem alle PET-Kunststoffartikel auf einfache Weise wiederverwertet werden können.
DePoly plant, bis 2024 einen ersten Pilotplan aufzustellen, der das Äquivalent des gesamten PET-Abfalls einer Stadt mit 30’000 bis 60’000 Einwohnern verarbeiten könnte. Bei Erfolg und mit der nötigen Unterstützung könnte eine landesweite Abfallbehandlung innerhalb weniger Jahre möglich sein, was eine echte PET-Kreislaufwirtschaft erlauben würde.
Ein ganz anderer Ansatz wäre es, das Problem von Anfang an anders anzugehen. Also Kunststoffe, die schwer zu recyceln sind, gar nicht erst herzustellen, sondern neue und einfach abbaubare Materialien zu entwickeln. Genau dies will die Grundlagenforschung von Prof. Francesco Stellacci an der EPFL, in Zusammenarbeit mit Forschern der ETHZ und der EMPA, probieren. Wie das geht? Indem man die Natur kopiert. Die Idee dahinter ist es, Elemente zusammenzusetzen, von denen bereits bekannt ist, dass sie sich leicht abbauen lassen. Dabei denkt Prof. Stellacci vor allem an Proteine, denn diese machen auch circa 15 Prozent unserer Körpermasse aus und deren einfacher Abbau ist ein grundlegender Bestandteil des Lebens.
Im Vergleich zu DePoly ist diese Art von Forschung noch weit entfernt von der Anwendung. Sie würde jedoch einen echten Paradigmenwechsel im Recyclingwesen darstellen. Das ist auch der Grund, warum das Labor angesehene nationale und EU-Fördermittel erhalten hat.
Die beiden Beispiele zeigen schön die Rollen von Grundlagenforschung und von Spin-offs auf. Solche Innovationen sind äusserst vielversprechend. Aber sie können nicht allein wirken. Damit sie Teil unseres Alltags werden, müssen sie parallel dazu von der Entwicklung eines funktionierenden Ökosystems begleitet sein, in dem Infrastrukturen (Sammlung, Aufbereitungsanlagen, Kanäle für die Wiederverwendung von Recyclingmaterial) und wirtschaftliche Anreize auf dasselbe Ziel hinarbeiten.