Sie fragen, ETH-Präsident Joël Mesot antwortet
Wird es mal ein Perpetuum mobile geben?

Joël Mesot, Martin Vetterli und Michael Hengartner sind so etwas wie die obersten Wissenschaftler der Schweiz. In einer neuen Rubrik stellen sie sich den Fragen der Leserinnen und Leser rund um die Wissenschaft.
Publiziert: 03.08.2022 um 14:54 Uhr
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Aktualisiert: 09.06.2023 um 11:47 Uhr
Joël Mesot

Gibt es nach all den Jahrhunderten Forschung in der Physik einen Plan zum Bau eines Perpetuum mobile? Eventuell in einem Vakuum mit Magnetismus?
Andreas Muff

Joël Mesot: Ein Perpetuum mobile wäre wahrlich eine tolle Sache. Einmal angestossen, würde es munter weiterlaufen, ohne dass wir ihm in irgendeiner Form Energie zuführen müssten. Seit Jahrhunderten träumen Menschen von einer solchen Wundermaschine, und es gibt immer wieder neue Ideen für entsprechende Geräte. Der Haken an der Sache: Ein Perpetuum mobile ist physikalisch gesehen ein Ding der Unmöglichkeit, weil es im Widerspruch zu den Grundsätzen der Thermodynamik steht.

Es sind zwei Grundsätze, die ein Perpetuum mobile verunmöglichen. Maschinen der ersten Art widersprechen der Energieerhaltung, welche den Kern des sogenannten ersten Hauptsatzes der Thermodynamik bildet. Demnach kann Energie weder zerstört noch erzeugt, sondern nur von einer Form in eine andere umgewandelt werden. Eine Maschine kann also nie mehr Energie liefern als ihr von aussen zugeführt wurde. Oder etwas zugespitzt gesagt: Von nichts kommt nichts.

Ein Perpetuum mobile zweiter Art verletzt den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik, den der deutsche Physiker Rudolf Clausius entdeckte. Clausius wurde 1855 als erster Physikprofessor an das neu gegründete Polytechnikum – die heutige ETH Zürich – berufen. Der zweite Hauptsatz beschäftigt sich damit, wie viel «nutzbare» Energie eine Maschine leisten kann. Lassen Sie mich anhand eines Beispiels erläutern, was ich hier mit «nutzbar» meine. Wenn wir einen Kübel mit Wasser auf einen Tisch stellen und durch ein Loch Flüssigkeit ablaufen lassen, dann kann beispielsweise über ein Wasserrad mechanische Energie erzeugt werden. Aber auch ohne Loch bewegen sich die Wassermoleküle im Kübel, auf der mikroskopischen Ebene. Diese thermische Bewegung kann aber nicht unmittelbar genutzt werden, weil sie im Gegensatz zum Wasserstrahl ungeordnet ist. Der zweite Hauptsatz besagt, vereinfacht gesagt, dass ohne Energiezufuhr von aussen der Anteil nutzbarer Energie einer Maschine abnimmt oder bestenfalls gleich bleibt.

In der Praxis wird insbesondere durch Reibung nutzbare Energie in nicht nutzbare thermische Energie umgewandelt. Reibung kann man wie in Ihrem Beispiel durch ein Vakuum zwar reduzieren, aber nie komplett eliminieren. Bei einem magnetischen System sind zudem weitreichende Wechselwirkungen zu berücksichtigen. Denken Sie etwa an einen Induktionsherd, wo elektromagnetische Energie durch die isolierende Glaskeramikplatte hinweg in thermische Energie im Kochtopf umgewandelt wird. Fürs Kochen ist dies gewollt, aber bei solchen Prozessen geht unweigerlich nutzbare Energie verloren. Für ein Perpetuum mobile, das ja ewig laufen sollte, sind solche Verluste der Todesstoss.

Die Prinzipien der Thermodynamik wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts beschrieben, noch vor den beiden «Revolutionen» der modernen Physik, Einsteins Relativitätstheorie und die Quantenphysik. Diese Prinzipien behielten auch in diesen komplett neuen Zusammenhängen ihre Gültigkeit und bewährten sich später auch etwa in der Informationstheorie. Diese Unabhängigkeit der Thermodynamik von einem spezifischen System ist beeindruckend – und der Grund, weshalb jede Art von Perpetuum mobile (leider) ein Traum bleibt.

Mit bestem Dank an Prof. Renato Renner von der ETH Zürich für seinen wertvollen Input.

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