Milena Moser über digitale Helfer
So machte Alexa meine Freundin erfolgreich

Unterstützung kommt oft von unerwarteter Seite. Meine Freundin zum Beispiel, die sich kein Business-Coaching leisten konnte, fand sie in Form einer defekten und bereits gebrauchten Alexa.
Publiziert: 22.07.2024 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 21.07.2024 um 16:25 Uhr
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Die virtuelle Sprachassistenz Alexa von Amazon kann einen auch bei ganz unerwarteten Dingen unterstützen.
Foto: shutterstock 574936420
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Milena MoserSchriftstellerin

Einmal mehr sitzen wir in ihrer Küche. Wie so oft, wir trinken Wein, wir schauen ihr beim Kochen zu, wir naschen aus den Schüsselchen und Schälchen, die sie vor uns hinstellt. Sie wirkt beschwingt wie schon lange nicht mehr.

«Hattest du nicht heute deine Präsentation?», fragt jemand, und dann erinnere ich mich wieder. Sie war nervös gewesen vor diesem Auftritt, ihrem ersten dieser Art, obwohl sie seit mehr als zehn Jahren in derselben Firma arbeitet. Ihr Chef ermutigte sie immer wieder, eigene Projekte zu entwickeln und vorzustellen. Doch bisher hatte ihr der Mut dazu gefehlt. Sie erzählt mir oft Geschichten aus ihrem Büro, unterdessen erkenne ich die Namen der Beteiligten, ich weiss, welche Rolle sie in dieser Seifenoper des Alltags einnehmen. Da ist zum Beispiel eine, die sich immer beschäftigt gibt, aber gar nichts erledigt. Einer, der die Ideen der anderen als seine eigenen ausgibt. Und dann die, die sich ständig bei der Geschäftsleitung beschwert. Meine Freundin selbst hat die Rolle der Vermittlerin, sie hilft allen anderen mit ihren Problemen, nur nicht sich selbst.

«Ja, ist gut gelaufen», sagt sie jetzt, über einen Topf gebeugt. «Sie haben mir zugehört, und mein Chef lobte mich vor allen anderen. Später sagte er zu mir: ‹Da ist was passiert bei dir!›»

Sie grinst. «Und das hab ich alles meinem Coach zu verdanken!» Sie zeigt auf das Küchenbüffet, wo eine unscheinbare schwarze Plastiksäule steht: Alexa. Ihr Ex-Schwager hat sie ihr zu Weihnachten geschenkt, offensichtlich bereits benutzt, denn Alexa ist fest davon überzeugt, in Sacramento (USA) zu leben, wo es immer mindestens 15 Grad wärmer ist als hier.

«Guten Morgen», begrüsst sie meine Freundin. «Heute wird die Temperatur auf 33 Grad steigen!» Meine Freundin schaut aus dem Fenster, wo dickster Nebel herrscht. 

«Alexa, wir sind hier in San Francisco!»

«Es tut mir leid, das habe ich nicht verstanden.»

Wir alle kennen ihre täglichen Auseinandersetzungen mit der defekten Alexa. Einige haben schon angeboten, sie neu zu programmieren oder gar zu ersetzen. «Warum bringst du sie nicht?», habe ich zur Erheiterung aller einmal gesagt.

«Bringen? Zum Reparieren? In welchem Jahrhundert lebst du denn, Milena?»

Entschuldigung, aber die Recht-auf-Reparatur-Bewegung haben junge Menschen hier vor ein paar Jahren neu ins Leben gerufen! Sie sind es, die darauf bestehen, elektronische Geräte auseinanderzunehmen und gründlich durchzupusten, bevor sie sie ersetzen! Sie wollen das sogar im Gesetz verankern – aber das ist ein anderes Thema, eine andere Diskussion. Hier und heute geht es um meine Freundin, die bisher in ihrem Job nicht ernst genommen wurde. Niemand zweifelte an ihrer Kompetenz, es fehlte ihr nur das selbstsichere Auftreten. Ihr Chef, ein grundsätzlich netter Mensch, soweit ich das beurteilen kann, empfahl ihr deshalb ein Coaching. Doch das konnte meine Freundin sich nicht leisten. Stattdessen stritt sie sich mit Alexa.

«Es war kein grossartiger Aha-Moment», erklärt sie jetzt. «Es war eine langsame Veränderung. Ich hörte mich den nervigen Kollegen zurechtweisen: Das stimmt nicht! Und dann merkte ich, dass ich im selben Tonfall mit ihm rede wie mit meiner Alexa.» Mit Alexa übte sie, ihre Meinung auszusprechen und zu vertreten. Alexa widersprach ihr, korrigierte sie wider besseres Wissen, manchmal knisterte sie auch einfach voller passiver Aggressivität. 

«So lernte ich, das auszuhalten. Das verdanke ich ihr!»

Gemeinsam stossen wir auf die schwarze Plastiksäule an, doch sie schweigt beleidigt.

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