Was ihre Wirkung betrifft, neigen Männer zu einer erheblich verzerrten Einschätzung, vor allem im jungen Alter und oft auch weit darüber hinaus: Sie sehen eine Frau, die ihnen gefällt, und sehen damit alle Anforderungen für eine Romanze erfüllt. Ob ihr Gegenüber in irgendeiner Form Interesse an ihnen gezeigt hat, spielt für sie keine Rolle, da sie es einfach voraussetzen. Gemäss dieser sonderbaren Logik ist es keineswegs unhöflich oder gar übergriffig, sich den Namen einer wildfremden Frau zu merken, die sozialen Medien nach ihr zu durchkämmen und einseitig Kontakt aufzunehmen, sondern vielmehr der natürliche Weg zum gemeinsamen Glück.
Spielt die Begehrte nicht mit, wird sie konsequenterweise als eingebildete Zicke abgestempelt. Das Internet ist voller Erzählungen von Frauen, die erst plump angemacht und dann aufs Übelste beleidigt wurden. Diese Mechanik widerspiegelt einen tief verankerten Sexismus, der Frauen ideologisch versklavt: Sie werden als blosse Objekte betrachtet, deren einziger Existenzgrund darin besteht, die Gelüste des Mannes zu befriedigen, und deren eigener Wille so wenig zählt, dass man völlig konsterniert ist, wenn er sich bemerkbar macht.
Zwar würden die Männer, die sich entsprechend aufführen, niemals zu einer solchen Haltung stehen, aber wie bei jeder Form von Diskriminierung gilt auch bei dieser: Ob sie stattgefunden hat, entscheidet sich nicht daran, ob es dem Täter bewusst war oder nicht und ob er es möglicherweise «nicht so gemeint» hat. Sondern wie das Opfer sich fühlt. Und genau das sollten Sie diesen Raubrittern auch mitteilen, anstatt sie zu ignorieren: Sagen Sie ihnen deutlich, dass sie eine Grenze überschritten haben und sich schämen sollten. Nur so kann sich etwas ändern – indem alle Frauen sich sofort und unmissverständlich wehren.