Weiche Polster, Popcorngeruch und Nervenkitzel. Ich bin im Kino. Der Film war gut, der eine Schauspieler hats mir besonders angetan. Logisch greife ich, sobald der Abspann läuft, zum Handy. Wikipedia, rückt mal mit der Lebensgeschichte von dem Typen raus. Aha, sein Papa war auch schon Schauspieler und er wuchs in Hollywood auf. «Bereits als Teenager konnte er Fuss im Filmbusiness fassen», steht da.
Ein Nepo-Baby also. Die sind zurzeit ein Thema. Seit das «New York Magazine» einen Artikel veröffentlichte, in dem Stars und Sternli in Hollywood aufgezählt werden, die ihre Berufung dank Nepotismus – also Vetterliwirtschaft – erfolgreich ausüben können. Spoiler: Es ist ein Grossteil der Heldinnen und Helden auf der Kinoleinwand.
Ist das ein Problem? Ja und nein. Meine Mutter ist zwar wunderschön, aber reich und berühmt mit Promistatus? Leider nein. Ansonsten würde ich sie wohl auch, wie all diese Nepo-Babys, so lange bearbeiten, bis sie mich mal mit auf den roten Teppich nimmt. Mich ihrem Agenten vermittelt. Durch ein Filmset führt. Und ich dann, dank all diesen Möglichkeiten, als nächstes It-Girl gehandelt würde.
Also nein: Grundsätzlich ist es kein Problem, wenn man sich innerhalb der Familie einen Ball zuspielt. Würde ich wohl auch so machen. Problematisch wird es jedoch, wenn man dieses Privileg nicht anerkennt. So wie Lily-Rose Depp (23) etwa. Die Tochter von Johnny Depp (59) und Vanessa Paradis (50) beklagte sich über die Nepo-Baby-Kontroverse und meinte, sie arbeite genauso hart wie alle anderen.
Das mag sein. Doch der Startpunkt, an dem Lily-Rose Depps Karriere begann, liegt nun einmal meilenweit vor all den Menschen, die keine Familie in der Industrie haben. Implizit war das immer klar, die Nepo-Baby-Diskussion hat diese Chancenungleichheit aber einmal mehr ins Bewusstsein einer breiten Masse gehievt.
Auch fernab von Hollywood, hier bei uns in der Schweiz, muss sich dafür an die Nase gefasst werden. Wir dürfen nie vergessen, dass ein Pascal Müller mit Akademiker-Eltern und Ferienwohnung im Tessin mehr Chancen hat. Ein grösseres Netzwerk. Eine angesehene Verhaltens- und Ausdrucksweise. Ein finanzielles Sicherheitsnetz. Der Batzen fällt nicht weit von Papis Bankkonto. Dadurch stehen ihm mehr Möglichkeiten offen. Und mehr Möglichkeiten, eine exzellente Leistung in seinem gewählten Weg zu erbringen.
Dass es Vetterliwirtschaft gibt, ist menschlich. Genau deshalb braucht es Gesetze, welche die Chancenungleichheit mindestens ein bisschen glätten. Denn der Mythos vom Tellerwäscher zum Star, den gibts kaum noch. Ausser im Film – gespielt von einem Nepo-Baby.
Noa Dibbasey (21) studiert an der Universität Bern Sozialwissenschaften. Sie schreibt jeden zweiten Freitag im Blick.