Ich bin nicht katholisch. Hostien finde ich eklig und gefirmt wurde ich auch nicht (ich wünschte es mir damals aber seligst – bei dem Sackgeldzuschuss, den meine katholischen Freundinnen fürs Sakrament zugestupft bekamen). Wenn ich «Madonna» höre, denke ich also an das Popsternchen aus den 80ern. Nicht an die Mutter Gottes, die Heilige. Doch um genau die dreht sich mein heutiger Text.
Es geht um den Madonna-Hure-Komplex. Der von Sigmund Freud geprägte Begriff begegnete mir vor wenigen Jahren zum ersten Mal, das Konzept ist mir jedoch seit der Pubertät bekannt. Seit die Jungs Mädels nicht mehr «grusig», sondern plötzlich interessant fanden. Und sie in verschiedene Schubladen zu stecken begannen. Nämlich, ob sie sich für den Beischlaf eignen würden oder eben nicht. Nur formulierten die Jungs das etwas vulgärer.
Mit dem Ende der Pubertät scheint diese Bewertung von Frauen und ihren Körpern aber nicht vorbei. Noch immer höre ich solche Sätze von Männern: «Die isch geil – aber nume für ei Nacht.» Meistens handelt es sich beim Objekt der einmaligen Begierde um eine Frau, die sich freizügig gibt.
Der Gegenpol zur Dirne «für ei Nacht» ist dann die Heilige. Die Frau, die man respektiert, mit der man sich eine Zukunft, ja vielleicht sogar Kinder vorstellen kann. Doch zum Kinderkriegen muss man gezwungenermassen miteinander schlafen – die Madonna ist aber Jungfrau. Dank des Komplexes entwickelt sich zur geliebten Heiligen eine körperliche Anziehung nur schwer.
Natürlich drückt sich der Komplex in unserer Gesellschaft nicht ganz so extrem aus. Trotzdem: Der Grundriss des Madonna-Hure-Komplexes ist in unseren Köpfen internalisiert. Positive weibliche Schlüsselfiguren sind in den Medien entweder Madonnen oder Sexbomben. Dass meine Generation mit einer Dauerberieselung durch pornografische Inhalte aufwuchs, sorgt für eine zusätzliche Verwirrung im Schritt – und im Herzen.
Logisch teilen wir also in sexistische, unrealistische Kategorien ein und zerbrechen uns gleichzeitig den Kopf darüber, wie wir uns zwischen den Polen hin- und herhangeln können. Sex erst beim siebten Date, aber Küssen schon beim ersten, sonst denkt er, ich sei prüde.
Das ist anstrengend. Und verletzt uns schlussendlich alle. Die, die nicht mehr lieben und begehren können, und jene, die stereotypisiert werden. Klar können Körperlichkeiten und Liebe getrennt werden. Wenn die beiden aber nicht mehr gemeinsam möglich sind, haben wir ein Problem.