Kolumne «Geschichte» über magere Models
Hungerlöhne

Models sind heute erfolgreiche Frauen, die bis zu dreistellige Millionenbeträge verdienen. Männliche Models sind von solchen Einkommen noch weit entfernt.
Publiziert: 30.04.2021 um 05:00 Uhr
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Aktualisiert: 29.04.2021 um 18:34 Uhr
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Claude Cueni, Schriftsteller.
Foto: Thomas Buchwalder
Claude Cueni

In der römischen Antike wurden Frauen aus dem normalen Volk schief angesehen, wenn sie versuchten, mit ihrer Schönheit Geld zu verdienen. In fast allen Kulturen haben die Männer strenge Regeln für die Berufstätigkeit der Frauen festgelegt. Trotzdem war es für Modehersteller notwendig, ihre neuen Kreationen mit Models präsentieren zu können. Deshalb wurden in den Villen der Adeligen oft Sklaven für den privaten Catwalk eingesetzt.

Nach dem Ersten Weltkrieg krempelte die Modeschöpferin Coco Chanel die Branche um, ihre Mannequins verliessen die privaten Salons und betraten die öffentliche Bühne unter dem Applaus von Presse, Promis und vermögenden Gästen. Die jungen Frauen, die bisher eher mobile Kleiderständer waren, wurden Models mit eigener Medienpräsenz. Sie waren keine stummen Darstellerinnen mehr, sondern entwickelten sich zu Supermodels, die für Paparazzi genauso lukrativ wurden wie Stars aus der Film- und Musikindustrie. Den erfolgreichsten Frauen gelang die Vermarktung der eigenen Berühmtheit ausserhalb der Modeltätigkeit, sie wurden Markenbotschafterinnen oder erfolgreiche Businessfrauen.

Lächeln wäre ein Kündigungsgrund

Letztes Jahr übertraf Freizeit-Model Kylie Jenner mit 590 Millionen Dollar die Einnahmen sämtlicher Laufsteg-Beautys und Celebritys. Männliche Models verharren hingegen im einstelligen Millionenbereich. Es ist allerdings nicht bekannt, ob sie jemals für «gleiche Löhne» auf die Strasse gegangen sind.

Mit dem Zeitgeist haben sich nicht nur die Körpermasse, sondern auch die Mimik der Models verändert: Lächeln wäre heute eher ein Kündigungsgrund. Schaut man sich die Gesichter an, denkt man: Oh, mein Gott, sind sie positiv auf Covid-19 getestet worden, ekeln sie sich vor den Klamotten, die sie tragen müssen, ist ihr Hund überfahren worden oder mussten sie etwa CO2-neutral anreisen? Vielleicht liegt der depressive Blick heutiger Models auch daran, dass sie sich in die eigene Magersucht verliebt haben und ihnen jetzt, angesichts des bevorstehenden Hungertodes, der Humor abhandengekommen ist. Da nützen auch Antidepressiva nicht mehr. Eher ein Teller Spaghetti bolognese und eine Flasche Sassicaia. Aber in welchem Beruf erhält man schon einen «Hungerlohn» im sechsstelligen Bereich?

Claude Cueni (65) ist Schriftsteller und lebt in Basel. Er schreibt jeden zweiten Freitag im Blick. Kürzlich erschien im Verlag Nagel & Kimche sein Roman «Hotel California – Botschaft an Elodie».

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