«Bitte, Allah, gib mir die Kraft, damit ich heute nicht all diese Männer und weissen Leute da draussen töte.» Das war ein Tweet der Kanadierin Yusra Khogali, Co-Gründerin von Black Lives Matter, der in Torontos «City News» abgedruckt wurde. #Aufschrei blieb aus. Als die schwarze Talkmasterin Oprah Winfrey klagte, sie habe in der Schweiz Rassismus erfahren, war die Solidarität gross. Wäre sie weiss gewesen, hätte man gesagt: was für eine eingebildete Zicke.
Die Senegalesin Alima Diouf, Geschäftsführerin des Schweizer Vereins «Migranten helfen Migranten», sagt: «Jeder Mensch ist ein Rassist. Es gibt auch Rassismus unter Schwarzen: Wenn ein Senegalese nicht will, dass seine Tochter einen Nigerianer heiratet.»
Nicht-Weisse werden pauschal als hilfsbedürftig abgestempelt
Wer wirklich wissen will, wie Rassismus gelebt wird, sollte sich in Afrika, dem Nahen Osten oder Asien umsehen. In Ermangelung empörungswürdiger Verhältnisse leisten sich einige den Luxus, im beschaulichen Westen Rassismusdebatten im Reagenzglas zu führen. Sie spielen sich in Kolonialherrenmanie als Schutzmacht dunkelhäutiger Menschen auf und betrachten jeden Nicht-Weissen als «arme Siech» (Rassismus?), dem man unter die Arme greifen muss. Aber niemand hat sie darum gebeten.
Würden diese «Antirassisten» über den goldenen Tellerrand hinausschauen, würden sie feststellen, dass die meisten Menschen ausserhalb des Westens weder Fragen nach der Herkunft (Rassismus!) noch (stereotypische) Komplimente als «positiven Rassismus» sehen.
Als ich in Hongkong arbeitete, wurde ich mehrmals täglich nach meiner Herkunft gefragt, und rasch fielen Stereotypen wie: Schweizer sind reich, essen Käse und haben Uhren, aber wenig Zeit. Wurde ich etwa Opfer von «positivem Rassismus»? Ich freute mich über die unverkrampfte Kontaktaufnahme.
Der Rassismus der angeblichen Antirassisten
Muss ein Metzgermeister, der für Lionel Messi schwärmt, zuerst einige Semester «kolonialrassistische Stereotype» studieren, bevor er einem argentinischen Kunden sagen darf, dass seine Landsleute das Dribbeln im Blut haben?
Übereifrige «Antirassisten» sollten in Erwägung ziehen, dass sich kaum jemand für ihre abgehobene Wahrnehmung interessiert und dass sie mit ihrem Feindbild vom «alten weissen Mann» möglicherweise rassistischer sind, als ihnen lieb ist.
Claude Cueni (65) ist Schriftsteller und lebt in Basel. Er schreibt jeden zweiten Freitag im BLICK. Am 15. März erscheint bei Nagel & Kimche sein neuer Roman «Hotel California».