Kolumne «Geschichte» über das Covid-19-Gesetz
Braucht eine Regierung Fussfesseln?

Am 13. Juni stimmen wir über das Covid-19-Gesetz ab. Man kann es annehmen – wenn man bereit ist, eine Kröte zu schlucken. Und Vertrauen in den Bundesrat hat.
Publiziert: 28.05.2021 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 27.05.2021 um 17:34 Uhr
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Claude Cueni, Schriftsteller und Kolumnist.
Foto: Thomas Buchwalder
Claude Cueni

Fussketten aus Bronze kennt man seit über 4000 Jahren, also seit Menschen fähig sind, Metalllegierungen aus Kupfer und Zinn herzustellen. Aus der römischen Antike sind derart viele Exponate erhältlich, dass man sie bereits für 900 Franken erwerben kann.

Während der Pandemie wurde eine neue Variante notwendig: die unsichtbare Fussfessel, die unbescholtenen Bürgern nicht viel mehr Freiheiten einräumt als Straftätern mit elektronischen Fussfesseln.

Am 13. Juni stimmt das Volk über das Covid-19-Gesetz ab, da auch das Notrecht ein Verfalldatum hat: sechs Monate. Wie üblich versteckt man eine Kröte in einem Bündel guter Massnahmen. Die Kröte räumt dem Bundesrat auch in Zukunft weitreichende Befugnisse ein und schwächt somit Parlament und Demokratie. Man kann das Gesetz trotzdem annehmen. Sofern man der Regierung traut.

Aber Vertrauen muss man sich verdienen. Während der Pandemie wurde es teilweise verloren. Aufgrund der widersprüchlichen und teils völlig unlogischen Massnahmen kamen Zweifel an der Kompetenz der stets zaudernden Akteure auf. Nach vorsätzlichen Falschinformationen (Maskenlüge etc.) ist der Schaden irreparabel. Auch ein Borsalino-Hut kann keine Pinocchio-Nase verdecken. Massnahmen zur Kompensierung von Erwerbsausfällen können auch auf parlamentarischem Weg aufgegleist werden, und Medienförderung gehört nicht in ein Pandemiegesetz.

Bundesrat braucht nicht mehr Macht, sondern mehr Macher

Gesundheitsminister Alain Berset droht wie üblich und warnt davor, dem Bundesrat mit einem Nein einen Denkzettel verpassen zu wollen. Seine Befürchtung ist berechtigt. Ein Teil der Bevölkerung ist nachhaltig verärgert über ihren Angestellten, den sie jährlich mit rund 460'000 Franken entlöhnt.

Die Regierung braucht nicht mehr Machtbefugnisse, sondern krisenerprobte Macher mit Unternehmerblut, die mehr am Schutz der eigenen Bevölkerung interessiert sind als an der Selbstdarstellung. Es braucht Aktiv-Bundesräte, die sich nicht der Geschwindigkeit eines hochverschuldeten Bürokratiemonsters anpassen, das im Schlafwagen zwischen Brüssel und Strassburg hin- und herpendelt und selten durch die Kraft des Handelns überzeugt.

Am 13. Juni geht es um Vertrauen. Auch Volksvertreter brauchen Fussfesseln, sonst wird messerscharf wieder butterweich.

Claude Cueni (65) ist Schriftsteller und lebt in Basel. Soeben erschien im Verlag Nagel & Kimche «Hotel California», ein Lebensratgeber in Romanform für seine Enkelin. Cueni schreibt jeden zweiten Freitag im Blick.

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