Die textile Erscheinung der Klimakämpfenden ist von Bauarbeitern inspiriert, nicht von Party. Da ist kein Glamour dabei, keine happeninghafte Lockerheit. Das ist keine Sitzdemo, wo die Rotweinflasche unabgewischt im Kreis zirkuliert und man im Schneidersitz seine Kapitalismuskritik kultiviert. Bei dieser Revolte wird weder ein persönlicher Aggressionsstau gelöst noch eine traumatisierte Kindheit verarbeitet. Diese Bühne eignet sich nicht für Selbstdarsteller. Und auch nicht für Familien, deren Eltern ihre Kinder auf eine erste politische Lusterfahrung ansetzen möchten.
Denn wer bei Renovate Switzerland mitmacht, nimmt in Kauf, gehasst zu werden. Er lebt gefährlich. Es sei garantiert kein Spass, sich auf eine befahrene Strasse zu setzen und sich da festzukleben, im Gegenteil, sie hätten jeweils grosse Angst, berichten Mitglieder auf der Homepage der Bewegung. Die Kraft zum grossen Trotzdem finden sie in der Überzeugung, dass gehandelt werden muss, unbedingt, jetzt, sofort. Der Klimanotstand ist akut. Es geht ums Ganze. Um unser aller Leben hier auf diesem Planeten.
Gegen das Hoffen, Träumen, Verdrängen
Dabei argumentiert Renovate Switzerland einerseits mit Zahlen aus der Wissenschaft und stellt konkrete Forderungen (mehr Mittel für eine klimafreundliche Sanierung von Gebäuden). Andererseits zeigen ihre die Strassen blockierenden Aktionen auch, dass der Glaube an die Überzeugungskraft der Argumente erlahmt ist.
Zu Recht. Denn kein halbwegs vernünftiger Mensch würde heute noch bestreiten, dass die Klimaerhitzung real ist. Nur hat dieses Wissen kaum Konsequenzen auf unser Handeln. Wir reden uns unsere Verantwortung klein. Wir hoffen auf technische Innovationen. Wir hoffen auf ein Wunder. Wir hoffen, träumen, verdrängen.
Immer diese Klimaverrückten!
Genau da setzen die Aktivisten von Renovate Switzerland an. Sie irritieren mit ihrem Körpereinsatz. Sie nerven. Sie provozieren. Sie stören den Fluss. Sie stören unser Selbstverständnis.
Eigentlich müsste man ja auf sich selber wütend sein, denn wieder mal war man zu faul, aufs Velo zu steigen. Stattdessen steht man auf der Autobahn. Doch ausnahmsweise wird der Stau nicht von den viel zu zahlreichen anderen Autos ausgelöst. Auch nicht von einem Unfall. Heute kann man die Schuld diesen Klimaverrückten in die Schuhe schieben. Sie sind prima Wutableiter. Auch dafür sollten wir ihnen dankbar sein. Alles wird gut.
Ursula von Arx fühlt sich oft machtlos gegenüber der Klimaerhitzung. Und freut sich immer, wenn Menschen sie nicht einfach hinnehmen. Von Arx schreibt jeden zweiten Montag im Blick.