Einzelne können die Welt bewegen
Eine grosse Frau, ein grosser Mann

Mit Michail Gorbatschow (†91) und Queen Elizabeth II. (†96) sind in den vergangenen Tagen zwei grosse Figuren der Geschichte gestorben. Beide haben gezeigt, was ein einzelner Mensch bewirken kann.
Publiziert: 12.09.2022 um 07:03 Uhr
Während Gorbatschow für Glasnost (Transparenz) und Perestroika (Umgestaltung) stand, repräsentierte Elizabeth II. bis an ihr Ende Verschwiegenheit und Beständigkeit (Bild von 1989).
Foto: AFP
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Ursula von ArxJournalistin und Buchautorin

Eine Krise jagt die nächste: Energie, Nahrung, Inflation, Klima, Krieg. Und als ob wir noch darauf aufmerksam gemacht werden müssten, dass wir unser Leben auf Sand gebaut haben, starben in den letzten Tagen zwei Menschen, zwei Pfeiler dieser alten, untergehenden Welt.

Die Queen ist tot. Und Gorbatschow ist tot. Uns bleibt Putin.

Der Ort, an dem wir heute leben, wäre fraglos ein anderer ohne Michail Gorbatschow. In eine Welt von Angst und Unterdrückung, von Bewegungs-, Meinungs- und Presseunfreiheit brachte er einen Geschmack von Freiheit und Frieden. Die deutsche Wiedervereinigung, die Befreiung von Prag, Warschau, Budapest, alles geschah fast ohne Blutvergiessen. Gorbatschow befreite Dissidenten aus dem Gefängnis, Archive wurden geöffnet.

Eine andere, bessere Welt schien möglich. Gorbatschows Glaube an Veränderung war ansteckend.

Die Queen war zeitlose Verlässlichkeit

Ebenso prägend die Queen. Doch während Gorbatschow für Glasnost (Transparenz) und Perestroika (Umgestaltung) steht, repräsentierte Elizabeth II. bis an ihr Ende Verschwiegenheit und Beständigkeit. Inmitten von wuselnden, unberechenbaren, lärmigen Zeiten war es ihr Schicksal, zeitlose Verlässlichkeit zu verkörpern.

In jungen Jahren schien sie halb jung zu sein und noch mit 96 Jahren halb alt. Sie bemühte sich nie um Modernität. Sie wurde in eine traditionsgesättigte Rolle hineingeboren und nahm diese mit Demut an. Mit einem eisernen Pflichtbewusstsein tat sie, was sie tun musste. Sie war gross, indem sie ihr Ego kleinhielt. Einzig ihre mintgrünen, himmelblauen, rosaroten Kostüme forderten eine gewisse Aufmerksamkeit ein, sonst war sie ein Muster an Diskretion.

Ihre politischen Neigungen verlautbarte sie kaum. Aber wenn, dann umso wirkungsvoller. Was sie von Gleichberechtigung hielt, zeigte sie etwa, indem sie es sich nicht nehmen liess, den saudischen Kronprinzen persönlich in ihrem Land Rover herumzuführen, als er auf Schloss Balmoral zu Besuch weilte. Das war 1998, zu einer Zeit, als es saudischen Frauen noch verboten war, ein Auto zu lenken.

Beide machten einen Unterschied

Ihre Gefühle blieben der Öffentlichkeit ein Geheimnis. Man konnte nur mutmassen, wie sie zu den innerfamiliären Scheidungen und Skandalen stand. Konnte man die Queen lieben? Bewundern konnte man sie fraglos sehr.

Ein Trost kann sein, dass die beiden Verstorbenen je den Beweis erbrachten, dass Einzelne einen Unterschied machen können. Die aus dem 19. Jahrhundert stammende Theorie, die Geschichte werde von grossen Menschen geprägt, die Great-Man-Theorie, ist so veraltet nicht.

Uns bleibt die Hoffnung auf Charles III. Und den Nachfolger Putins. Alles wird gut.

Ursula von Arx glaubt, dass grosse Menschen einen inspirieren können. Selbst wenn auch grosse Menschen ihre niedrigen, kleinen und lächerlichen Seiten haben. Von Arx schreibt jeden zweiten Montag im Blick.

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