Ja, wir leben in einer Zeit voller Krisen, die weltweiten verstärken die privaten. Viele bemühen sich, die Verzweiflung abzuwehren. Aber wie? Oft fällt ihnen nur Schales ein.
Obwohl die schönste, wildeste, tatkräftigste, trostreichste aller Ideen sich doch eigentlich gerade jetzt aufdrängen müsste. Denn es ist Adventszeit. Wir erwarten die Ankunft eines Erlösers. Am 24. Dezember wird es wieder so weit sein, zum 2022. Mal. Ein Kind wird geboren werden in einem Stall zu Bethlehem. Es ist der Sohn Gottes! Da wird er liegen, auf Heu und auf Stroh, so arm wie die Hirten, die ihn umgeben.
An Weihnachten wurde die Idee geboren, dass Würde allen Menschen eigen ist, auch den unterprivilegierten, den machtlosen. Ja eigentlich besonders ihnen. Denn eher geht «ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt» (Markus 10,25). Entsprechend sind Menschen, die auf diesseitige Reichtümer setzen, auf Geld, Macht, Anerkennung, wenig vertrauenswürdig.
Entsprechend ist das Christentum «ein Springquell von Revolution und Reform» (G. K. Chesterton): die Französische Revolution, die amerikanische Verfassung, Black Lives Matter, Fridays for Future, LGBTIQ, sie alle gehen im Grunde von der Idee aus, dass das meiste Übel auf der Welt eher den Charakter einer menschengemachten Ungerechtigkeit hat und nicht den einer naturgegebenen Krankheit. Heisst also: Man kann etwas dagegen tun. Man muss etwas dagegen tun!
Dabei trennt das Christentum, und das ist ein weiterer Geniestreich, die Sünde vom Sünder. Die Übeltat dürfen wir nicht verzeihen, dem Übeltäter jedoch sollen wir tausendmal verzeihen. Das Christentum lässt damit Raum für Wut und Ekel und gleichzeitig Raum für Barmherzigkeit.
Es ist keine Religion, die mischt und verwässert, sondern eine, die zuspitzt und das Verschiedene nebeneinander existieren lässt. Jesus ist der Löwe und das Lamm. Der Mensch ist der grösste Sünder und zugleich das Ebenbild Gottes. Er geht hocherhoben und demütig gebückt.
Und immer steht er am Scheideweg. Immer kann er sich entscheiden, für das Gute oder das Böse, für die Freude oder die Verzweiflung. Es liegt an uns, ob Gott tot ist oder nicht. Alles wird gut.
Ursula von Arx fragt sich nicht, ob sie an Gott glauben soll. Sie glaubt an die Kraft der biblischen Texte. Von Arx schreibt jeden zweiten Montag im Blick.