Kürzlich im Schwimmbad. Mächtige Wolken entladen sich blitzartig. Quietschend kommen die Badenden angerannt, unters schützende Restaurantdach. Eine Frau rümpft die Nase: «So viele dicke Kinder.» Und nach zwei, drei als fremd identifizierten Sprachfetzen: «Und alles Ausländer!»
Warum die abschätzig-abwehrende Reaktion auf schwabbelige Bäuche?
Tatsächlich ist nur jedes fünfte hier lebende Kind übergewichtig, wie der neuste Unicef-Report zeigt. Damit schneidet die Schweiz im Ländervergleich relativ gut ab (Rang 5). Manche Kinder setzen in schwierigen Zeiten Kummerspeck an. Andere fühlen sich in ihren Rundungen gut. Fettleibigkeit kann von falscher Ernährung herrühren.
Solche Erklärungen lassen all die im Rudel einsam vor sich hinfittenden Menschen nicht gelten. Sie bringen ihre Muskeln zum Zittern und Vibrieren, recken und strecken sich in Pärken und Wäldern, hinter Kuhställen und Betonblöcken, an Kletterwänden und Maschinen. Bis der Schmerz kommt und darüber hinaus.
Dicke und Unfitte sind in Zeiten des Fitnesskultes eine Provokation, die mit Verachtung beantwortet wird. Die können nicht mithalten, scheint man zu denken, weil heute «schlanke Bürger für einen schlanken Staat, fitte (freie) Mitarbeiterinnen für fitte Unternehmen und deren ‹Lean Production›» verlangt würden, wie der Historiker Jürgen Martschukat kritisch anmerkt.
Ein durchtrainierter Körper hingegen gilt als Ausdruck von gelebter Selbstverantwortung. «Mens sana in corpore sano», sagt der Lateiner und meint: Ein gesunder Geist braucht einen gesunden Körper.
Der Lateiner sollte seine Quellen studieren. «[…] orandum est ut sit mens sana in corpore sano», schrieb Juvenal und meinte so ziemlich das Gegenteil von dem, wofür seine Worte heute missbraucht werden: Wer denn beten möchte, der solle um einen gesunden Geist und einen gesunden Körper beten.
Man kann seine Gesundheit ruinieren, klar. Aber es braucht vor allem auch Glück, sie zu erhalten. Je älter man ist, desto mehr.
Die Idee, ein durchtrainierter, schlanker Body sei die Voraussetzung für einen tüchtigen Geist, ist Unsinn. Behinderungsfeindlicher, fettfeindlicher, menschenfeindlicher Unsinn.
Es ist Zeit, sich davon zu befreien. Zeit für Aktivismus: «Fat Lives Matter.» Und für ein Stück Schwarzwäldertorte mit viel Schlagrahm. Alles wird gut.
Ursula von Arx tut manchmal ein bisschen was für die Beweglichkeit. Für ernsthaftes Trainieren jedoch fehlt ihr die Zeit, redet sie sich ein. Von Arx schreibt jeden zweiten Montag im BLICK.