Kolumne «Alles wird gut»
Die Herren des Feuers

Männer stellen sich gern an den Grill. Das wissen sie so gut wie die Frauen. Aber warum ist das so? Die einfache Antwort: Es geht ihnen um Feuer, Fleisch und Fett. Es gibt aber auch andere Antworten.
Publiziert: 26.07.2020 um 22:58 Uhr
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Aktualisiert: 20.09.2020 um 19:42 Uhr
Ursula von Arx, Autorin.
Foto: Thomas Buchwalder
Ursula von Arx

Was macht den Menschen zum Menschen? Das Feuer.

Der Mann weiss das intuitiv. Er braucht dafür keine Wissenschaft, die ihm aufzeigt, dass Gekochtes viel weniger Verdauungsenergie benötigt als Rohes oder dass die Kochkunst das für den Menschen geniessbare Sortiment im Supermarkt der Natur erheblich erweitert hat. Er braucht niemanden, der ihm den menschheitsgeschichtlichen Zusammenhang erklärt zwischen gekochter Nahrung, der Schrumpfung unseres Darms und unserer Kiefer und dem Wachstum unseres Gehirns. Und was geht ihn der Zeitverlust der Schimpansen an, die täglich fünf Stunden mit dem Kauen ihres rohen Futters verbringen müssen? Er ist kein Schimpanse. Er ist ein Mann.

Wenn die Frau sich jetzt, im Sommer, in die Küche zurückzieht und Salatköpfe wäscht, zieht es den Mann magisch nach draussen, unter den weiten Himmel seines Balkons oder Gärtchens, wo er zum Herrn über das Feuer sich macht.

Sigmund Freud und die «Harnerotik»

Von niemandem lässt er sich den Grillzauber entzaubern. Was kümmern ihn Soziologen wie Sacha Szabo, der im Grilltrend einen Reflex auf «die Auflösung der Geschlechterrollen» sieht und glaubt, das Grillen erfülle «ein Interesse an einer klaren Rollenzuschreibung», und dabei «das Neandertalermotiv» wittert. War unser Mann etwa jagen gegangen? Höchstens beim Metzger. Hat die blutigsten Rindssteaks, die längsten Schweinswürste erbeutet.

Sehr lustig findet unser Mann auch Sigmund Freuds Erklärung einerseits für die Eroberung des Feuers (Triebverzicht, der Mensch widersteht dem infantilen Drang, in jede ihm begegnende Flamme zu pinkeln) und andererseits für das Konkurrenzdenken: Weil den Frauen das Löschen der Flammen mit dem Harnstrahl anatomisch verwehrt gewesen sei, so Freud, habe sich diese Beschäftigung zu einem «Genuss der männlichen Potenz im homosexuellen Wettbewerb» entwickeln können. Freud sah diesen Zusammenhang zwischen «Ehrgeiz, Feuer und Harnerotik» bis in seine Gegenwart bezeugt.

Der Mann sagt: Ha, ha

Was sagt unser Mann dazu? Ha, ha, sagt er. Für ihn gehe es beim Grillen um das Gemeinschaftserlebnis in der Natur, um Dreck, Kohle, Hitze, Feuer, Fleisch, Fett und Schweiss, der über die Backen rinne. Und sonst um nichts.

Aber vielleicht, sagt er, vielleicht werde er sich nächstes Jahr doch auch einen Gasgrill kaufen, wie sein Nachbar, nur einen besseren. Der Mann schüttet sein Bier über die rot glühende Kohle. Alles verglimmt, alles wird gut.

Ursula von Arx hat typischerweise noch nie selber ein Feuer gemacht. Das überlässt sie dem Mann und den Söhnen. Von Arx schreibt jeden zweiten Montag im BLICK.

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