Kolumne «Alles wird gut»
Die Spiele der Erwachsenen

Dauernd nehmen wir in unserem Leben eine Rolle ein, spielen Spielchen. Selten aber verhalten wir uns als das, was wir sind: Erwachsene. Warum ist das so schwer?
Publiziert: 14.12.2020 um 14:55 Uhr
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Aktualisiert: 10.01.2021 um 21:52 Uhr
Ursula von Arx, Autorin.
Foto: Thomas Buchwalder
Ursula von Arx

Weihnachten naht. Da hat der Mann mit dem weissen Bart Hochkonjunktur. Aus dem tiefen Wald der Versenkung kommt er gefahren, in der einen Hand den Geschenkesack, in der anderen die Rute, seine tiefschürfenden Gedanken über Kinder und Kindheit sind gerade jetzt wieder aktuell. Und ja, das mit dem Geschenkesack und der Rute war gelogen, denn nein, wir reden hier nicht vom Weihnachtsmann, sondern von Sigmund Freud.

In Vorausahnung der nahenden Dramen und Tränen am Familientisch gedenken wir seiner. Dank ihm, dem Entdecker des Unbewussten, wissen wir, dass unsere Beziehungen oft Symptome sind von Verletzungen, die wir in unserer Kindheit erlitten.

Wäre das Fest der Familie nicht eine gute Gelegenheit, innezuhalten und nachzuforschen? Vielleicht mit dem Selbsthilfeklassiker «Spiele der Erwachsenen» von Eric Berne? In jeder Situation, sagt Berne, verhalten wir uns entweder als strafend-fürsorgliche Eltern, als ängstlich-trotziges Kind oder als Erwachsener. Letzteres wäre natürlich der Idealfall, dass Erwachsene sich auf Augenhöhe begegnen, nur passiert das selten.

Immer dieses Piesacken

Lieber spielen wir Spiele, sagt Berne. Wir spielen das Ich-bin-halt-blöd-Spiel oder das Ich-will-dir-ja-nur-helfen-Spiel oder das Was-würd-ich-machen-ohne-dich-Spiel oder das Euch-werd-ich's-zeigen-Spiel. Wir spielen es in der Liebe, in der Familie, im Beruf, im Gym, beim Sex, immer und überall und gern auch in unterschiedlichen Rollen. Im Geschäft gibt Maria die knallharte Chefin, zu Hause will sie von ihrem Mann Josef gepäppelt werden. Oder umgekehrt.

Warum ist es so schwer, sich als Erwachsener wie ein Erwachsener zu verhalten? Warum können Menschen sich nicht als gleichberechtigte, aufrechte Menschen begegnen? Warum müssen Bundesräte, Nationalräte, Gemeinderäte, Geschwister, Angestellte, Chefs, Tanten, Eltern, Ehepaare die anderen piesacken und sich piesacken lassen?

So vertreiben wir (uns) die Zeit

Weil Menschen sich gerne in ihrem selbstmitleidigen Selbstbild bestätigen. Weil es unerträglich wäre, ständig von Erwachsenen umgeben zu sein. Und drittens? «Ein immerwährendes Problem des Menschen besteht in der Frage, wie er seine Tageszeit strukturieren soll», sagt Berne. Psychospiele spielen zum Zeitvertreib?

Aber vielleicht einfach nicht an Weihnachten. Alles wird gut.

Ursula von Arx spielt jeden zweiten Montag das Schau-was-mir-eingefallen-ist-Spiel im BLICK.

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