Der Stein ist, was er ist. Der Löwe ist, was er isst. Und der Mensch? Er ist, wofür er sich hält. Versteht sich der Mensch als Neuronengewitter im Affenkörper, dann ist seine Verrohung nicht mehr weit, wie wir dieser Tage sehen. Versteht er sich hingegen als geistiges, freies Lebewesen, dann könnte noch mal was aus ihm werden.
Das ist, in zugespitzter Form, die Quintessenz der neuen Gedanken, die der junge Starphilosoph Markus Gabriel zum Zustand des Menschen vorlegt (nachzulesen in seinem höchst lesenswerten Buch «Der Mensch als Tier»). En passant entzaubert Gabriel eine Menge lieb gewordener Gewissheiten über Mensch, Umwelt und Natur. Dazu eine Auswahl frischer Einsichten:
Definiert sich der Mensch als Tier + X (wobei X = Vernunft, also: Mensch = Tier + Vernunft), ist das ziemlich unvernünftig. Denn die Definition führt nicht nur zu einer Vertierung des Menschen, sondern auch zu einer falschen Vermenschlichung mancher Tiere.
Der Mainstream der Tierethik krankt genau daran: Der Mensch adelt Tiere wie Affen, Hunde oder Kühe, in denen er das Zerrbild seiner selbst zu erkennen glaubt (menschenähnliches Tier = Mensch – Vernunft). Andere Tiere wie Fische oder Insekten hingegen zieht er nicht mal als Tiere in Betracht und rottet sie guten Gewissens aus.
Noch ferner sind dem Menschen die Pflanzen – aber woher weiss der Broccoli-essende Veganer, dass er der Kohlart weniger Schmerz zufügt als einem Insekt?
Die modische Rede vom Anthropozän, des «Erdzeitalters des Menschen», ist eine einzige Selbstüberschätzung: Der Mensch hat überhaupt keine geologische Sonderstellung auf dem Planeten Erde inne. Alle seine Spuren werden eines Tages verwischt und verschwunden sein.
Die Umweltzerstörung durch den Menschen ist kein Problem für die Natur, wie viele Umweltschützer meinen, sondern bloss für den Fortbestand der Menschheit. Die Natur lebt sowieso weiter – bis irgendwann die Sonne explodiert.
Für den Menschen gibt es leider kein Zurück zur Natur – sie ist erbarmungslos, und der Mensch ist ihr zutiefst fremd. Ökologische Verschmelzungsfantasien sind ebenso deplatziert wie menschlicher Grössenwahn.
Je mehr sich der Mensch trotzdem wissenschaftlich erforscht, desto rätselhafter wird er sich zugleich. Der Mensch vermag sich nie ganz zu verstehen – und das schmerzt ihn.
Mit dem Wissen wächst zugleich der Schmerz über das Nichtwissen. Damit muss der Mensch leben lernen. Was es braucht, ist eine Ethik der Demut.
Stark, Markus Gabriel.