Ist Gewalt tabu? – Meyer rät
Schicken Sie Ihre Tochter in einen Selbstverteidigungskurs

Ich (w, 37) erziehe meine Tochter mit der Maxime, dass sie sich wehren soll, wenn jemand etwas mit ihr macht, was sie nicht möchte. Um mich herum trifft meine Haltung auf Gegenwehr: Sie solle sich verbal zur Wehr setzen und auf Gewalt verzichten. Ist das richtig?
Publiziert: 23.12.2023 um 09:47 Uhr
Junge Frauen sollten sich gegen Belästigung wehren – wenn nötig auch mit Gewalt.
Foto: Getty Images
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Thomas MeyerSchriftsteller und Kolumnist

Der russische Angriffskrieg hat eine merkwürdige Diskussion über Gewalt mit sich gebracht: In friedensbewegten Kreisen wird diese grundsätzlich abgelehnt, in der Folge auch die Lieferung von Waffen. Stattdessen werden ernsthaft «Verhandlungen» gefordert. Die Idee dahinter besagt, dass sofortiger Friede einkehre, wenn die angegriffene Seite mit dem guten Beispiel der Gewaltlosigkeit vorangehe. 

Das ist vollkommen weltfremd – und obendrein unfassbar selbstverliebt. Wer so redet, hält sich offenbar für höher entwickelt als alle, die Gewalt nicht pauschal verteufeln, sondern gewisse Formen davon als überlebensnotwendig erachten. 

Die Ukraine hätte durchaus auf Gewalt verzichten und sich auf verbale Gegenwehr beschränken können. Dann wäre Selenski heute tot und sein Land eine Neosowjetrepublik. Mädchen können ebenfalls jegliche Gewalt vermeiden und aufdringliche Jungs stattdessen freundlich darum bitten, ihr bereits fünfmal geäussertes Nein doch endlich zu respektieren. Beim sechsten Versuch klappt es dann bestimmt.

Wir müssen das Wort «Gewalt» entteufeln. Es gibt auch gute Gewalt. Wie damals Nazideutschland muss auch dem russischen Verbrecherregime mit aller Härte entgegengetreten werden, bis zu dessen Zusammenbruch, im Namen der Freiheit, der Würde und der Menschlichkeit. Das gilt genauso für übergriffige Männer. 

Sie sollten Ihre Tochter in einen Selbstverteidigungskurs schicken, wo sie lernt, ohne zu zögern gegen die richtigen Stellen zu prügeln und zu treten. Das hat nichts mit Gewaltverherrlichung zu tun, sondern mit Realismus – und elterlicher Verantwortung. Wir müssen unsere Kinder schützen. Wir bringen ihnen mit Nachdruck bei, nicht zu Fremden ins Auto zu steigen und sich notfalls mit Händen und Füssen zu wehren – aber warum ist erst dort die Grenze überschritten? Warum nicht schon dort, wo Mädchen «im Spass» betatscht werden? 

Letztlich ist es auch eine Form von Gewalt, wenn ein Junge das Nein eines Mädchens nicht respektiert. Warum Ihre Freunde nicht bereits da allergisch reagieren, sondern erst bei Ihrer Reaktion, wäre interessant zu erfahren.

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