Die Anzahl von Beziehungen, die nur deswegen weiterbestehen, weil einer der Partner oder beide den Prozess und die Konsequenzen einer Trennung scheuen, dürfte beträchtlich sein. Wobei «scheuen» nicht das richtige Wort ist – «in Panik erstarren» wäre wohl passender. Allein schon der blosse Gedanke daran, dem Partner gegenübertreten und ihm sagen zu müssen, dass es aus sei, und eventuell für längere Zeit allein zu sein, lähmt die Betroffenen komplett. Sie sind gefangen in ihrem Dilemma zwischen «gehen wollen» (wegen des bestehenden Unglücks) und «nicht gehen wollen» (wegen des befürchteten Unglücks) und können es nicht auflösen, weil die Angst vor der Trennung das Leid, das diese erzeugt, noch überwiegt.
Und das nicht ohne Grund: Eine Trennung ist ein extremer Schritt mit erheblichen Veränderungsfolgen. Man verletzt jemanden, steht überall als Buhmann da und muss umziehen und die Einsamkeit erdulden – wer will das schon? Allerdings muss man auch fragen: Wer will schon jahrelang unglücklich sein? Eine Trennung ist schmerzhaft, gewiss, aber nicht für lange. Nach einem Monat kann man wieder lachen. Eine schlechte Beziehung hingegen kostet einen wertvolle Lebensjahre, in denen man gar nichts mehr zu lachen hat. Machen Sie Ihrer Freundin das noch einmal deutlich und weisen Sie sie auch auf Ihren Loyalitätskonflikt hin. Es ist in der Tat unangenehm, auf diese Weise zu einem heimlichen Komplizen gemacht zu werden.
Und schliesslich müssen Sie sich auch fragen, warum Sie befreundet sein wollen mit jemandem, der sich selbst und seine Bedürfnisse nicht ernst nimmt, sich dauernd von neuem belügt und generell unaufrichtig ist. Die Nähe zu solchen Menschen tut einem nicht gut. Eine Trennung steht also möglicherweise – wenn Ihre Freundin nicht zügig handelt –auch Ihnen bevor.