Wir erheben schwere Vorwürfe gegen die Gesundheitsdirektion des Kantons Bern unter der Leitung von Regierungsrat Pierre Alain Schnegg.
Unser erster Vorwurf lautet: Schnegg und seine Mitarbeitenden führen die Berner Bevölkerung in die Irre. Sie verschleiern die wahre Verbreitung des Coronavirus an den Schulen im Kanton.
Aus bisher ungeklärten Gründen wies ein Labor eigentlich Corona-positive Speichelproben von Schülerinnen und Schülern konstant als negativ aus. Dem Bundesamt für Gesundheit kamen die tiefen Werte verdächtig vor. Es veranlasste, dass am Donnerstag und Freitag vorletzter Woche zwei andere Labors die Auswertungen vornahmen. Ergebnis: Die Positivitätsrate fiel erheblich höher aus als in den Tagen zuvor.
Der Kanton Bern hat diesen Anstieg der Positivitätsrate nie öffentlich kommuniziert. Statt ehrlich über den Vorfall und seine Tragweite zu informieren, behauptet die Berner Gesundheitsdirektion: Die Zahl der Corona-Infektionen sei gegenüber der Vorwoche nur ein wenig gestiegen. Dabei verschweigt die Behörde eine entscheidende Tatsache: An den beiden Tagen, als die neuen Labors zum Einsatz kamen, wurden sehr viel weniger Schüler getestet als in den vorangegangenen Tagen. So wurden am Freitag bei lediglich 284 Schulpools zehn Corona-Fälle registriert, am Montag waren es bei 2287 Pools drei Fälle. Das heisst: Hätte man über eine ganze Woche korrekte Analysen durchgeführt, wären ungleich mehr Infizierte entdeckt worden.
Ist Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, das Ganze zu kompliziert? Nun, das ist genau der Effekt, auf den die Gesundheitsdirektion nach unseren Erkenntnissen abzielte. Einerseits publiziert sie auf ihrer Website eine Fülle verwirrlicher Zahlen und Grafiken zur Corona-Situation, andererseits hält sie die entscheidenden Daten zurück. Für Aussenstehende ist es unmöglich, den Über- und den Durchblick zu behalten.
Unser zweiter Vorwurf an die Gesundheitsdirektion des Kantons Bern lautet: Im vollen Wissen darüber, dass es an den Schulen mehr Corona-Fälle gibt, lässt sie das Virus unkontrolliert zirkulieren.
Denn was taten die Behörden, nachdem die Positivitätsrate am Donnerstag und Freitag vorletzter Woche nach oben gegangen war? Sie stellten die repetitiven Massentests an den Schulen auf Anfang dieser Woche ein.
Damit setzen Pierre Alain Schnegg und seine Direktion die Berner Schulkinder einem erhöhten Risiko aus, sich mit Corona anzustecken. In anderen Kantonen hat sich gezeigt, dass die Wahrscheinlichkeit einer Infektion bei den regelmässig Getesteten um das Fünf- bis Zehnfache tiefer liegen kann als ohne Tests. Und wenn das Virus unter den Kindern grassiert, steigt auch für Erwachsene die Gefahr – für Ungeimpfte, aber ebenfalls für Geimpfte mit schwachem Immunsystem.
Weshalb operieren die Berner Behörden mit Taschenspielertricks? Warum stoppen sie die Massentests an den Schulen? Noch dazu just in dem Augenblick, da sie endlich funktionieren? Rational ist ein solches Verhalten nicht zu erklären – so wie sich zahllose Fehlleistungen unterschiedlichster Akteure während der Pandemie nicht nachvollziehen lassen. Offenbar ist den Verantwortlichen der Aufwand für die Tests zu gross. Offenbar sind sie sich über die Folgen ihres Handelns nicht im Klaren. Offenbar ist ihnen das Wohlergehen der Kinder und Jugendlichen, deren Angehöriger und des Lehrpersonals egal.
Wie dem auch sei, die Recherchen von SonntagsBlick-Redaktor Danny Schlumpf lassen nur einen Schluss zu: Was sich Pierre Alain Schnegg und seine Leute hier leisten, ist ein Skandal. Einer solchen Gesundheitsdirektion kann niemand mehr vertrauen.