Der Testosteronspiegel sinkt, dafür schüttet der Körper Oxytocin und Dopamin im Überfluss aus. Wird ein Mann zum Vater, stimmen ihn die Hormone high und harmonisch. Er wird introvertierter und kuscheliger, zugleich erwacht sein Beschützerinstinkt.
Klar, Jungväter mit Baby in Tragetuch oder geländegängigem Kinderwagen gehören heute zum Strassenbild. Die Wissenschaft aber kümmert sich erst seit wenigen Jahren um ihre Biologie. Die Umstellung von Hormonhaushalt und Gehirnstruktur beispielsweise wurde erst vor kurzem entdeckt.
Väter stehen nicht ausserhalb der Natur – diese fundamentale Erkenntnis ist also noch sehr jung. Und in Politik und Wirtschaft ist sie längst nicht angekommen. Zwar haben die Stimmbürger im letzten Herbst Ja gesagt zu einem Vaterschaftsurlaub. Doch nach 14 Tagen im familiären Kokon heisst es für Männer bereits wieder: zurück an den Arbeitsplatz, fast immer zu 100 Prozent.
In Zusammenarbeit mit der Stiftung Elternsein, Herausgeberin der Zeitschrift «Fritz+Fränzi», publizieren wir in der heutigen Ausgabe des SonntagsBlicks das Väterbarometer. Die grossangelegte Umfrage zeigt nicht zuletzt die Mühen vieler Männer, eigenen Bedürfnissen und widersprüchlichen Rollenerwartungen gerecht zu werden. Empathischer Papa, Erzieher, Ernährer, das ganze Pipapo.
Besonders perfide an der Situation vieler Familien ist, wie sehr Mütter und Väter gegeneinander in Stellung gebracht werden. Das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann ruft die Mütter dazu auf, mindestens zu 70 Prozent einer Erwerbsarbeit nachzugehen, damit in ihrer Pensionskasse keine
Lücke klafft. Während Väter bei Vorgesetzten nach wie vor auf Unverständnis stossen, wenn sie das Pensum reduzieren möchten. Beide müssen sich anhören, sie seien eben selber schuld, wenn sie sich von den alltäglichen Anstrengungen des Elternseins zermürben lassen. Eine Anstrengung übrigens, die das Bundesamt für Statistik in Zahlen fasst: Mütter wie Väter arbeiten – bezahlt und unbezahlt – je rund 70 Stunden pro Woche.
Vielleicht wäre es an der Zeit zu fragen: Sollte sich nicht die Wirtschaft verstärkt den Familien anpassen statt immer nur umgekehrt? Und welchen Beitrag kann die Politik dazu leisten?
Einen ersten Schritt in diese Richtung formuliert der britische Autor David Goodhart in seinem Bestseller «Kopf, Hand, Herz», der von der «Financial Times» immerhin zu einem der besten Bücher 2020 auserkoren wurde. Goodhart plädiert dafür, die Hausarbeit im Bruttoinlandprodukt zu berücksichtigen. So würde die Leistung von Eltern sichtbarer, Arbeit endlich als solche anerkannt.
Dieser Prestigegewinn würde die Verhandlungsposition von Eltern in der Erwerbswelt verbessern – ob bei der Forderung nach moderateren Anstellungsbedingungen, nach einem höheren Gehalt oder wenn es um den Wiedereinstieg ins Erwerbsleben geht. Der gleiche Ansatz könnte zur Überlegung führen, ob es für Haus- und Familienarbeit nicht zumindest staatliche Gutschriften für die Pensionskasse geben soll. (Noch viel weiter hinten am Horizont steht dann ein altes Postulat von Feministinnen nach einem Lohn für Hausarbeit.)
Die Pandemie hat gezeigt, welche Tätigkeiten für unsere Gesellschaft unentbehrlich sind, welche überschätzt oder sogar überflüssig. Klar, Jungväter mit Baby in Tragetuch oder geländegängigem Kinderwagen mögen auf Aussenstehende etwas high wirken. Das soll unseren Blick dafür aber nicht vernebeln, dass sie zu jener Kategorie von Menschen zählen, die genau in diesem Moment einer wirklich existenziellen Beschäftigung nachgehen.