Bobby Feurer war eine Seele von Mensch. Wenn ich meine Schwiegereltern in der Ostschweiz besuchte, schaute ihr Nachbar, der frühere Patron einer Druckerei, oft vorbei, und wir plauderten darüber, was der Tag so hergab. Er war gesellig, engagierte sich während Jahrzehnten in der Stadtmusik St. Gallen und jasste gern. Am Stammtisch hat er sich auch mit Corona infiziert.
Gewiss, Bobby Feurer litt an Diabetes, volkstümlich Alterszucker. Ein Freund fragte ihn einmal, wie er überhaupt Autofahren könne mit diesem Taubheitsgefühl in den Füssen. Im Übrigen aber war der 78-Jährige meist fröhlich und fidel. Noch als er wegen Covid ins Spital gebracht werden musste, war er zum Scherzen aufgelegt. «Was macht ihr nur für ein Theater», sagte er. Corona bringe ihn doch nicht um. Selbst da hielt er es mit Marco Rima, der sich vom harmlosen Komiker zur Vorzeigefigur der sogenannten Corona-Skeptiker gewandelt hat. Der im Herbst an einer Kundgebung behauptet hatte: «Niemand wird in den nächsten Monaten an Corona sterben.»
Als er noch gesund war, hatte sich Bobby Feurer im Internet die Corona-Videos von Marco Rima angeschaut. Vor zehn Tagen ist der fünffache Grossvater gleichwohl gestorben. Am Ende ging alles sehr schnell, ein Organ nach dem anderen versagte im Kampf gegen die heimtückische Krankheit.
Bobby Feurer ist einer von 1146 Menschen, die in den letzten zwei Wochen von Covid getötet wurden. Senioren werden mitten aus dem Leben gerissen. Enkel verlieren ihre Grosseltern vor der Zeit.
Der Tod von Bobby Feurer zeigt überdies, warum es in der Pandemie eine klare und konsequente Politik braucht, die den Folgen ihrer Entscheidungen gewachsen ist.
Die Verantwortungsträger in Bundesbern und zahlreichen Kantonen trafen in der zweiten Welle nie den richtigen Ton. Bei so viel Missklang haben die Verharmloser und Relativierer leichtes Spiel. Sendet die Politik selbst dann die widersprüchlichsten Signale aus, wenn dies nun wirklich nicht nötig ist, beginnt ein Teil der Bevölkerung selbstverständlich an der Gefährlichkeit des Virus zu zweifeln. Das Kommunikationschaos dieser Woche, da sich beleidigte Regierungsräte aus allen Landesteilen offen gegen den Bundesrat stellten, ist dafür nur das jüngste Beispiel.
Solange das Ego unserer Politiker derart wichtig ist, kann es mit der Bedrohung durch das Virus doch nicht so weit her sein!
Die Signale waren schon vor dieser Woche der kantonalen Kakophonie höchst ambivalent, mithin tödlich. Gesundheitsminister Alain Berset mag ja immer wieder vor Covid gewarnt haben. Zugleich aber war die Landesregierung seit dem Sommer darauf bedacht, nicht allzu entschiedene Massnahmen zu treffen. Die Beschlüsse vom Freitag ändern kaum etwas an dieser Einschätzung.
Oberstes Ziel unserer obersten Behörde war und ist, der Wirtschaft möglichst freie Bahn zu lassen – um möglichst wenige Entschädigungszahlungen ausrichten zu müssen. Für den Bundesrat ist weniger das Virus das wahre Problem als eine höhere Schuldenquote.
Solange die Staatskasse derart wichtig ist, kann es mit der Bedrohung durch das Virus doch nicht so weit her sein!
Irgendwann in diesen Tagen wird Bobby Feurer beerdigt. Sogar seine besten Freunde kennen den Zeitpunkt nicht. Zu gross ist die Angst der Friedhofsverwaltung vor einem Menschenauflauf.
Und was macht Marco Rima? Seine Aussage, dass niemand an Corona sterbe, hat er widerrufen. Zweifel an der Gefahr der Seuche sät er nach wie vor. Im Augenblick engagiert sich der gefallene Komiker als Kopf einer Gruppierung, die gegen die Covid-Impfung Stimmung macht.