Das Sommerloch ist eine Offenbarung. Die lästige Dauerberieselung mit Information wird zurückgefahren, das Leben entschleunigt sich. Sind die Politiker in den Ferien, bleibt dem Publikum viel Hysterie erspart. Der Kopf wird frei. Wie ein Drogentrip in die Tiefen der Seele schauen lässt, öffnet das Sommerloch den Blick auf die tatsächlichen Vorgänge in der Gesellschaft.
Interessanteste Erkenntnis bisher: Nationale Identität und kulturelle Zugehörigkeit beschäftigen die Menschen wie eh und je. «La Suisse n’existe pas» ist längst vorbei. Stattdessen wird über die Loyalität von albanischstämmigen Fussballern diskutiert. Die Deutschen streiten über den Erdogan-Kicker Mesut Özil. Auf dem Kontinent floriert das Denken in nationalen Grenzen. Was typisch schweizerisch ist, scheint die Frage der Stunde zu sein.
Selbstverständlich ist das nicht – unter dem Eindruck der Globalisierung dominierte in der Politikwissenschaft Ende der Neunzigerjahre die Theorie vom Verschwinden des Nationalstaats. Dann schlug der Zeitgeist eine andere Richtung ein.
Was also ist nun typisch schweizerisch? Eine Begebenheit am LSD-Kongress: Um die Jahrtausendwende versammelte sich in Basel eine internationale Gemeinde aus Wissenschaftlern, Kulturleuten und Drogenfreaks, um ihren Star zu sehen – Albert Hofmann, Chemiker und Entdecker der psychedelischen Substanz. Das Publikum feierte den Greis wie einen Rockstar. Auf die Frage, ob er nach all den Jahren nicht wieder Lust auf eine halluzinogene Reise verspüre, lächelte er: «LSD hat mir gesagt, was es zu sagen hat.» Lange Gesichter bei den eingeflogenen Psychonauten.
Der 2008 im Alter von 102 Jahren verstorbene Albert Hofmann war typisch schweizerisch: vernetzt, im Grunde weltoffen, aber etwas scheu, rational – und ja nicht zu exzessiv.
Alles andere ist patriotischer Kitsch.