Was grilliert ein Metzger am 1. August?
«Schweizer Kunden sind ein bisschen langweilig»

Urs Keller (57) über das Nationalgut Cervelat – und über die Schwierigkeit, ein ganzes Tier zu verkaufen.
Publiziert: 29.07.2018 um 15:02 Uhr
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Aktualisiert: 15.09.2018 um 10:31 Uhr
Was grilliert ein Metzger zum 1. August?
1:19
«Wir grillieren das ganze Wurstsortiment»:Was grilliert ein Metzger zum 1. August?
Moritz Kaufmann

Herr Keller, was grilliert ein Metzger am 1. August?
Urs Keller:
Vor allem Würste. Kalbsbratwurst, unsere eigene Wiediker Wurst und vielleicht noch einen Cervelat.

Ist der Cervelat eine würdige Nationalwurst?
Das ist er. Aber er wird nicht mehr in dem Ausmass konsumiert wie vor 20 oder 30 Jahren. 

Ist der Cervelat unbeliebt geworden?
Nicht unbeliebt. Es gibt heute einfach mehr Alternativen. Nehmen wir ein Fussball-Grümpelturnier – Gradmesser für den Erfolg von Würsten. Früher lieferte man zu 50 Prozent Cervelats. Heute sinds vielleicht noch 20 Prozent.

Würsten wird nachgesagt, dass in ihnen das Abfallfleisch landet.
Abfallfleisch?! Ich weiss gar nicht, woher der Begriff kommt. Abfall gehört in den Abfall! Was stimmt: Bei einer Wurst kommt es nicht drauf an, aus was für einem Stück ich das Fleisch nehme. Aber es muss frisch sein.

Woher kommt dann nach Ihrer Meinung das schlechte Image?
Ich glaube, das Image hat sich massiv verbessert. Um Wurstwaren gibt es einen Hype. Das erlebe ich oft. Da kommen auch junge, schlanke Damen und sagen, sie ässen zwischendurch einfach am liebsten eine richtige Wurst. 

Verkaufen Sie auch ausländisches Fleisch?
Ja. Aber die Leitplanken sind sehr eng gesetzt. Wir können nicht alles Fleisch importieren, sondern nur das, wovon es zu wenig gibt. Das sind im Wesentlichen: Filets, Huft, Entrecôte und Hohrücken.

Wie läuft das?
Alle vier Wochen legt das Bundesamt für Landwirtschaft fest, wie viel Kilo Fleisch importiert werden dürfen. So wird das Preisniveau der inländischen Schlachttiere künstlich hoch gehalten. Das importierte Fleisch wird versteigert. Fast wie in einer Planwirtschaft (lacht).

Sind Schweizer Kunden vielleicht so verwöhnt, dass sie nur die Edelstücke kaufen?
Ich provoziere jetzt: Sie sind einfach ein bisschen langweilig. Wir beliefern in Zürich mehrere Hundert Restaurants. Jedes bietet ein Rindsfilet an. Selbst Trendrestaurants. Ich sage denen oft: «Warum müsst ihr ein Filet auf der Karte haben? Bietet doch mal was anderes, Cooles an!»

Was wäre denn etwas Cooles?
Second Cuts. Die kosten einen Bruchteil des Filets. Aus ihnen kann man zum Beispiel ein Long Rib, ein Flank Steak oder Kalbstafelspitz machen. 

Was machen Sie mit dem restlichen Fleisch?
Wir verwerten ein Tier von A bis Z. Pro Vieh sind 1,5 Prozent Filet. 4,5 Prozent sind Entrecôte. Circa 30 Prozent sind Ragoût, Brät und Hackfleisch. Ich will das Tier linear – also alle Teile – abverkaufen können. Also müssen wir kreativ werden im Laden. Wir machen Burger, Siedfleisch, Vitello tonnato ...

Ist Biofleisch besser?
Bio ist ein Hype. Ich würde gerne mehr Biofleisch verkaufen. Aber das ist nicht so einfach. Auch ein Biotier muss ich linear abverkaufen. Die Filets sind schnell ausverkauft. Der Rest halt nicht.

Wie deckt man die Nachfrage?
Es gibt gute Alternativen ohne Bio-Label. Die sind qualitativ genau gleich.

Warum ist Metzger kein beliebter Beruf?
Das frage ich mich auch. Früher hatten wir drei Lehrlinge. Dieses Jahr bekamen wir nicht einmal mehr eine Bewerbung. Dabei ist der Beruf attraktiv. Wir bieten ­einen Kreislauf, den sonst kein anderes Handwerk bietet. Wir haben geregelte Arbeitszeiten. Und man verdient gut.

Persönlich

Urs Keller (57) führt in dritter Generation die Metzgerei Keller am Zürcher Manesseplatz. Als er 1993 den Betrieb vom Vater übernahm, kreierte er die «Wiedikerli», die zum Kult wurden. Weil Kellers Kinder einen ­eigenen Weg einschlugen, verkaufte er die Metzgerei vor einem Jahr an einen Investor, blieb aber Geschäftsführer.

Urs Keller (57) führt in dritter Generation die Metzgerei Keller am Zürcher Manesseplatz. Als er 1993 den Betrieb vom Vater übernahm, kreierte er die «Wiedikerli», die zum Kult wurden. Weil Kellers Kinder einen ­eigenen Weg einschlugen, verkaufte er die Metzgerei vor einem Jahr an einen Investor, blieb aber Geschäftsführer.

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