Was haben die Kriege in Korea (1950–1953), Vietnam (1964–1975), Afghanistan (1979–1989) und Syrien (seit 2011) gemeinsam? Es sind Stellvertreterkriege der Grossmächte, weil eine direkte Konfrontation einen Atomkrieg bedeuten würde.
Die «New York Times» berichtet, dass die USA und England nicht nur Milliarden Dollar und Kriegsgerät in die Ukraine schicken, sondern auch «Militärberater», die auf ukrainischem Boden logistische Hilfe leisten, Militäroperationen vorbereiten und Ziele definieren, die dann ukrainische Soldaten mit westlichen Waffensystemen ins Visier nehmen. Der Krieg in der Ukraine ist ein klassischer Stellvertreterkrieg.
Auf die Gesinnung kommt es an
Ob man für diese Feststellung gescholten oder als Putinversteher diffamiert wird, hängt von der «richtigen Gesinnung» des Postboten ab. Leider erlaubt die politische Debatte mittlerweile nur noch Schwarz oder Weiss. Es sollte jedoch möglich sein, dass man Fakten vermittelt statt Meinungen von Personen, die nur darauf warten, dem politischen Gegner einen Strick zu drehen.
Putin hat einen barbarischen Überfall auf einen souveränen Staat begonnen und Kriegsverbrechen begangen. Wird Selenski dadurch zur Lichtgestalt? Vor dem Krieg durfte man erwähnen, dass Selenski gemäss den Pandora Papers ein millionenschwerer Oligarch mit dubiosen Firmen in den einschlägigen Steuerparadiesen ist. Heute muss man so tun, als würde der Ex-Schauspieler, der sich im Modemagazin «Vogue» mit seiner Frau als Celebrity inszeniert, die Freiheit des Westens verteidigen.
Die Wahrheit als Kriegsopfer
Im eigenen Land tritt er diese mit Füssen und ist entsprechend umstritten. In den USA wächst die Besorgnis, dass die westlichen Milliardenhilfen im zweitkorruptesten Land Europas nicht immer dort ankommen, wo sie sollten. Von den Russen ist bekannt, dass korrupte Offiziere Kriegsmaterial auf eigene Rechnung weiterverkaufen. Wieso sollte das beim Brudervolk Ukraine anders sein? Mentalitätsmässig gibt es wenig Unterschiede.
Dass das erste Opfer des Kriegs die Wahrheit ist, bewahrheitet sich auch in diesem völlig unnötigen Krieg, den sich kaum jemand gewünscht hat. Es sind fast immer Menschen im fortgeschrittenen Alter, die über Krieg und Frieden entscheiden. Und über die Zukunft der andern.
Claude Cueni (66) ist Schriftsteller und lebt in Basel. Er schreibt jeden zweiten Freitag im Blick. Nächste Woche erscheint sein Thriller «Dirty Talking».