BLICK auf die USA: US-Korrespondent Nicola Imfeld über ein falsches Vorurteil und die schlechtesten Verlierer Amerikas
Die Lüge der Trump-Anhänger

Jede Woche schreibt USA-Korrespondent Nicola Imfeld in seiner Kolumne über ein Thema, das jenseits des Atlantiks für Aufsehen sorgt. Heute geht es um über 73 Millionen Amerikaner, die das Vertrauen in die Demokratie verloren haben – ein riesiges Problem.
Publiziert: 19.11.2020 um 23:17 Uhr
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Aktualisiert: 19.01.2021 um 08:23 Uhr
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Nicola Imfeld, USA-Korrespondent der Blick-Gruppe
Foto: Zvg
Nicola Imfeld aus San Diego (USA)

Die Trump-Fans in Amerika haben mich enttäuscht. In meiner letzten Kolumne vor den US-Wahlen habe ich für sie eine Lanze gebrochen. «Die Trump-Anhänger sind in den allerwenigsten Fällen Knallköpfe oder Rechtsextremisten, wie sie in vielen Medien gerne dargestellt werden.» In Tat und Wahrheit sind es nette, anständige Menschen mit ernsthaften Sorgen. Daran hat sich nichts geändert. Aber sie haben gelogen.

Auf meinen Reisen durch die verschiedensten Regionen der USA habe ich zahlreiche Anhänger des Präsidenten getroffen. Diese Menschen haben alle versichert, dass sie den Ausgang der Wahlen akzeptieren werden. Man sei nicht wie die Linken und Demokraten, haben viele hämisch angefügt. Und dabei die Proteste und die in ihren Augen ungerechtfertigten Untersuchungen gegen Trump angesprochen, die die letzten Jahre geprägt haben.

Ich habe Ihnen den «benefit of the doubt» geschenkt – eine englische Redewendung, quasi ein Vertrauensvorschuss. Schliesslich hatten sie in einem Punkt recht: Weder die Demokraten noch die Mainstream-Medien in Amerika haben Trump je eine wirklich faire Chance gegeben. Und eine solche hat jeder vom Volk gewählte Präsident verdient.

Was Trump anders macht als die Demokraten 2016

Aber die Demokraten und auch deren Anhänger haben nie eine demokratisch legitimierte Wahl denunziert. Hillary Cliniton (73) hat ihre Niederlage unmittelbar nach der Wahlnacht eingestanden, Ex-Präsident Barack Obama (59) hat den damaligen President-elect Trump einen Tag später ins Weisse Haus eingeladen. First Lady Michelle Obama (56) servierte Melania (50) Kaffee und Kuchen.

Trump aber untergräbt nun den demokratischen Prozess mit unbegründeten Behauptungen. Direkt aus dem Machtzentrum der USA, dem Weissen Haus, attackiert er die älteste Demokratie der Welt tagtäglich. Sei es via Twitter oder bei der skandalösen Ansprache am Donnerstag nach den Wahlen. Seine Anhänger sind gewöhnt hörig. Sie sind zusammen mit ihrem Präsidenten die schlechtesten Verlierer Amerikas!

Trumps Sabotage bis zur letzten Sekunde
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Obama attackiert Trump:Trumps Sabotage bis zur letzten Sekunde

Wie Trump seine Wähler ausnutzt

Mit einigen Trump-Fans habe ich den Kontakt gehalten. Als ich sie in den letzten Tagen kontaktiert habe, wollten alle nichts von einem President-elect Joe Biden (77) wissen. «Wir werden ja sehen» war noch das Netteste, das zurückkam.

Derweil werden fast alle Klagen von Trumps Rechtsanwälten, notabene oft von seinen konservativen Richtern, verworfen. Der US-Präsident selbst weiss längst, dass er das Weisse Haus am 20. Januar 2021 verlassen muss. Oder wer spielt schon Golf, wenn er gerade gegen eine angeblich geklaute Wahl ankämpft? Eben.

Trump hat im Wahlkampf aber auch ordentlich Kohle verbrannt. Diese Schulden will er jetzt loswerden. In der vergangenen Woche hat sein Team bereits mehr als 150 Mails verschickt. Darin bettelt er um Geld für seinen «Wahl-Verteidigungsfonds». Offiziell will er damit also seine Kampagne gegen angeblichen Wahlbetrug finanzieren. Das Kleingedruckte verrät aber: 60 Prozent des Geldes fliessen gar nicht in diesen Fonds – sondern sind zur Schuldenbegleichung gedacht.

73 Mio Amerikaner haben Vertrauen in Demokratie verloren

Trumps Anhänger sind wahrlich zu bemitleiden. Doof hingegen sind sie nicht – ein verbreitetes aber falsches Vorurteil in der Schweiz. Diese Menschen können es schlicht nicht besser wissen. Trump ist in ihren Augen der Held – das wurde ihnen propagandamässig eingetrichtert. Die Demokraten und die allermeisten Medien dagegen sind Betrüger oder gar «Feinde des Volkes».

Diese Menschen sind in einer Sackgasse voller Falschinformationen und Manipulation gefangen – und werden wohl ihr Leben lang diese Wahl nicht anerkennen. Für Amerika stellt das ein grosses Problem dar. Über 73 Millionen haben für Trump gestimmt. Die Mehrheit von ihnen hat das Vertrauen in demokratische Wahlen verloren.

Die Ironie der Geschichte? Nur Trump kann die USA vor diesen verheerenden Auswirkungen retten. Wenn er seine Wahlniederlage eingestehen und mit seinen unbegründeten Anschuldigungen aufräumen würde. Leider aber hat Trump in diesen vier Jahren meinen «benefit of the doubt» verspielt.

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