Danke, Amerika!
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Donald Trump abgewählt:Danke, Amerika!

BLICK-Analyse von Nicola Imfeld, USA-Korrespondent, über die Präsidentschaftswahl
Danke, Amerika!

Joe Biden zieht ins Weisse Haus ein, Donald Trump ist am Ende. Das ist ein Freudentag für Amerika und den Westen – doch es wartet viel Arbeit. Die grosse Analyse von BLICK-USA-Korrespondent Nicola Imfeld.
Publiziert: 07.11.2020 um 17:55 Uhr
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Aktualisiert: 09.11.2020 um 15:50 Uhr
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Nicola Imfeld, USA-Korrespondent der Blick-Gruppe.
Foto: Zvg
Nicola Imfeld aus Wilmington (USA)

Joe Biden (77) wird der neue Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Donald Trump (74) ist am Ende – auch wenn er seine Niederlage wohl nie eingestehen wird. Gehen muss er am 20. Januar 2021 dennoch, allen kolportierten Horror-Szenarien zum Trotz. Die Institutionen Amerikas, namentlich der Supreme Court, werden einem tobenden Präsidenten mit diktatorischen Zügen keine Hand bieten. Das hat man kurz vor der Wahl mit mehreren Entscheiden gegen die Trump-Regierung unterstrichen.

Der Ausgang der Wahl war letztlich so knapp, wie vielerorts erwartet wurde. Und doch enger, als es den Demokraten lieb gewesen ist. Es besteht aber kein Zweifel, dass das amerikanische Volk Joe Biden im Weissen Haus haben will. Er hat nicht nur das Electoral College gewonnen, sondern wird letztlich auch rund vier Millionen Stimmen mehr auf dem Konto haben als sein Gegner. Mit den insgesamt über 74 Millionen Stimmen hat Biden gar so viele erhalten, wie kein anderer Präsidentschaftskandidat vor ihm!

Trotzdem ist Bidens Wahl als Votum gegen Trump zu werten. Der 77-jährige Establishment-Demokrat konnte zu keinem Zeitpunkt eine Euphorie im Land auslösen. Die Partei war letztlich vereint, aber nur in ihrer Abscheu für Trumps Amerika. Und für diesen ist die Abwahl eine echte Schmach: Zum ersten Mal seit 28 Jahren gelingt einem amtierenden US-Präsidenten die Wiederwahl nicht. Das zeigt: Die Amerikaner haben genug von all den Skandalen, Lügen und der menschenfeindlichen Politik, die die Amtszeit Trumps geprägt haben.

Bidens wichtigste Aufgabe – er ist der Richtige dafür

Doch es gibt auch die andere Seite dieser Wahl: Fast die Hälfte der Amerikaner hat erneut Trump gewählt. Das war zu erwarten, zeigt aber die kommende Herausforderung für Biden auf. Dessen wichtigste Aufgabe ist nämlich nicht die Bewältigung der Corona-Pandemie, die Suche nach Lösungen gegen den Klimawandel oder die Beziehung zu China. Zuallererst muss er das tief gespaltene Land und die zwei Parteien wieder vereinen. Nur so kann Amerika national, und international, erfolgreich sein.

Joe Biden ist der richtige Mann für diese Aufgabe. Er hat zahlreiche republikanische Freunde in Washington, war bereits als Senator bekannt für Kompromisse. Als Vizepräsident von Barack Obama (59) war es Biden, der die Gegenseite immer wieder ins Oval Office brachte, um die Politik seines Chefs auch Realität werden zu lassen. Trump indes hat sich mit der demokratischen Führung um Nancy Pelosi (80) seit Monaten nicht mehr getroffen – trotz der Wirtschaftskrise infolge der Coronavirus-Pandemie.

Wie sehr sich Biden diese Herkulesaufgabe zu Herzen nimmt, hat er am Mittwochnachmittag gezeigt. Da stand noch nicht einmal fest, dass er Präsident werden würde. Und trotzdem hat sich Biden in der Ansprache in seiner Heimatstadt Wilmington ganz präsidial gezeigt – fernab von schmutzigen Wahlkampfangriffen. Kein einziges böses Wort an die Adresse Trumps oder dessen Anhänger. Welch Kontrast zum Auftritt des Noch-Präsidenten, der in der Wahlnacht mit einem skandalösen Auftritt völlig verfrüht den Wahlsieg für sich reklamiert hatte.

Was passiert mit der Republikanischen Partei?

Bidens Unterfangen, das Land zu einen, startet bereits mit einer guten Nachricht: Die Republikaner werden höchstwahrscheinlich die Mehrheit im Senat bewahren. Das macht das Leben des kommenden Präsidenten zwar um einiges schwieriger, dafür zwingt es ihn, die Gegenseite auch wirklich in die Politik einzubeziehen. Und das ist der einzige Weg, die konservativen Trump-Anhänger nachhaltig zu besänftigen.

Ein grosses Fragezeichen aber ist die Republikanische Partei: Einige Abgeordnete und Senatoren dürften in den eigenen vier Wänden wohl aufgeatmet haben, dass sie nicht mehr nach Trumps Pfeife tanzen müssen. Gleichzeitig weiss niemand, wie sich die Partei in der Ära nach Trump positionieren wird. Die Parteibasis stand nämlich stets geschlossen hinter dem umstrittenen Präsidenten.

Der Weg zurück zu einer glaubwürdigen konservativen Politik, wie damals unter George W. Bush, dürfte steinig werden. Schlecht für Biden und das Land wäre, wenn die Partei auf ihren Positionen verharren oder unter einem «neuen» Trump gar weiter ins Radikale abdriften würde.

Warum der Westen auf Amerika wieder hoffen kann

Viele offene Fragen also, einiges ist aber bereits klar: Joe Biden wird das wichtigste Thema unserer Generation nicht leugnen, sondern ernsthaft angehen. Unmittelbar nach seinem Amtsantritt dürften die USA wieder in das Pariser Klimaabkommen eintreten. In der Heimat plant Biden Investitionen in Milliardenhöhe für erneuerbare Energien.

Weiter wird er als Präsident den Diktatoren dieser Welt die Grenzen aufzeigen und nicht vor ihnen kuschen. Und Biden dürfte auch wieder die Partnerschaft mit den europäischen Freunden normalisieren – vielleicht kann man sich sogar auf einen gemeinsamen Plan im Umgang mit China zusammenraufen.

Für die Schweiz und die ganze westliche Welt sind das hervorragende Aussichten. Denn mit den USA verbinden uns gemeinsame Werte wie Demokratie und Selbstbestimmung. Wir sind auf ein geeintes und starkes Amerika angewiesen, um die wichtigsten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu überwinden. Joe Biden gibt uns die Hoffnung zurück, dass wir wieder auf unseren Partner über dem Atlantik zählen können.

Mehr als Hoffnung haben wir für die Gespaltenen Staaten von Amerika derzeit aber auch nicht übrig.

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