Ja, sie war die falsche Präsidentin. Wie sie es geworden ist? Petra Gössi beantwortet die Frage im Interview mit dem SonntagsBlick gleich selbst: «Ich wurde von der Findungskommission angefragt.»
Von der Findungskommission?
Mit Findungskommissionen suchen Behörden Schulleiter. Petra Gössi lüftet das Geheimnis ihrer Fehlbesetzung freimütig noch ein Stück weiter: «Mein Arbeitgeber bot mir die Möglichkeit, mein Pensum stark zu reduzieren.»
Präsidentin des Freisinns – von Gnaden ihres Arbeitgebers?
Eine Reduktion des Pensums gewähren Firmen Mitarbeitern zur Fortbildung. Der Freisinn aber ist weder Firma noch Schule. Der Freisinn ist die Gründungspartei des Bundesstaates. Der Freisinn war über Generationen die mächtigste Partei der Schweiz. Der Freisinn gehört zum politischen Tafelsilber der helvetischen Demokratie.
Die FDP-Präsidentin – eine Teilzeitkraft?
Der Freisinn verzwergt – Petra Gössi spricht es aus: «Wenn die Mandatsträger nur noch verbandsgesteuert und nicht für die Basis agieren, dann ist das nicht Erfolg versprechend.» Damit trifft die Schwyzerin ins Schwarze: Die FDP krankt an Klientel-Kungelei.
Von der Partei der global ausgreifenden Schweizer Wirtschaftsmacht zur Partei der Vereinswirtschaft.
Damit ist der Freisinn ein Problem über den Freisinn hinaus – ein Problem der Schweizer Politik. Denn dort findet gerade ein Kulturkampf statt, geführt von einer linksliberalgrünen Elite, die den republikanischen Staat unter ihre pädagogisch-autoritären Fittiche zwingen will: sozial ausgestattet, klimaneutral zurechtgestutzt, gendersensibel reglementiert und diversitätsgerecht proportioniert. In den Städten regieren die Utopisten dieser schönen neuen Welt bereits.
Und der Freisinn schaut zu.
Ist das von Belang?
Es ist vielleicht sogar dramatisch: Der Freisinn war seit 1848 zwar immer auch, aber nie ausschliesslich die Partei der Wirtschaft. Der Schweizer Liberalismus bewegte und bestimmte die politische Kultur. Er tat dies noch bis in die späten Neunzigerjahre. Für dieses Wirken standen Namen wie Reich, Petitpierre, Tschopp, Rhinow, Salvioni, Marty, Schoch, Bremi, Couchepin – um nur einige zu nennen. Parteipräsident Franz Steinegger zitierte einst mit Blick auf die äussere SVP-Rechte den Totalitarismus- und Demokratieforscher Karl Dietrich Bracher.
Karl Dietrich – wer? Das wäre die Frage in der FDP von heute. Genau wie: 1848 – was?
Es ist höchste Zeit, dem Freisinn den Freisinn in Erinnerung zu rufen. Den Liberalismus als stolzes Erbe bewusst zu machen. Als historisch-intellektuelle Substanz, aus der zu schöpfen wäre im Kampf gegen die Religionswächter an Universitäten, in NGOs und Medien. Mit Verbandsmeierei nämlich kann man den linken Digital-Elitaristen, die den urbanen Zentren gerade ihren Lebensstil verordnen, keine Konkurrenz machen.
Die FDP braucht dringend eine neue Generation ganzheitlicher Politikerinnen und Politiker – die Schweizer Bürgerschaft braucht diese Generation! Deshalb sollten – müssten – solche Kräfte die neue Führung des Freisinns stellen. Nur so findet die Politik ihre Leitfiguren: aus sich heraus, sui generis, nicht durch Findungskommission und Teilzeit gewährende Arbeitgeber.
Aber gibt es sie überhaupt, die Kulturfreisinnigen mit ihren frechen freiheitlichen Antworten auf den Gender- und Diversitätskitsch links der Mitte?
Über Nacht hat die freisinnige Findungskommission ihren Schulleiter gefunden: Marcel Dobler, St. Galler Nationalrat, ein ehrenwerter Herr. Er soll sich, wie zu vernehmen ist, nicht vorgedrängt haben.
Marcel – wer?