Frank A. Meyer – die Kolumne
Zu Fuss in die Zukunft

Publiziert: 11.07.2021 um 00:22 Uhr
Frank A. Meyer

Die autofreie Stadt – toll! Die Stadt der Radfahrer – noch toller! Die Stadt für Fussgänger – am allertollsten!

Diesen Dreischritt üben Linksgrünliberale von Zürich bis Berlin. Aus der deutschen Hauptstadt soll das Privatauto bis 2027 verschwinden, fordert eine Volksinitiative. In Zürich will die vereinigte Linke das verhasste Fortbewegungsmittel durch massenhaftes Liquidieren von Parkplätzen aus dem Zentrum vergraulen.

Sogar der «Tages-Anzeiger», sonst Haus- und Hätschelblatt der Linksgrünliberalen, warnt vor dem «Furor gegen das Auto»: Diese Politik könnte «dem grünen Umbau der Stadt» schaden.

Dabei gibts doch nichts Erquickenderes als grünen Raum für grüne Bürger, wie er sich derzeit an der Architekturbiennale in Venedig besichtigen lässt. Dort imaginiert der deutsche Pavillon eine Welt, die bis 2038 alle gesellschaftlich relevanten Probleme gelöst hat: Die Menschen, von den Zwängen des Kapitalismus befreit, bewegen sich in Stadträumen mit umweltgerechten Gebäuden, schlendern zwischen CO2-gerechten Pappeln, Robinien oder Buchen – sie leben endlich in Gerechtigkeit.

Deutschlands grün beseelte Wochenpublikation «Die Zeit» seufzt sehnsuchtsvoll: «Der deutsche Pavillon zeigt eine Welt, in der die Menschen alle Krisen überwunden haben.» Und schwärmt: «Die Zukunft ist hell.»

Das Paradies!

Wer könnte sich einer solchen Fortschrittsidee verweigern, die zielgenau in der Weltrettung gipfelt und deshalb spätestens jetzt die ersten Schritte erfordert: Fussgängerschritte natürlich, Marschschritte im Krieg gegen die Automobilität. Zürichs – Zwinglis! – linksliberalgrüne Stadtregierer sind selbstverständlich auf dem richtigen Weg, dem Fussweg.

Doch was bedeutet der metropolitane Kreuzzug eigentlich für den ganz normalen Bürger, also den Autofahrer? Wer ist das überhaupt, dieser Bösewicht hinter der Windschutzscheibe?

Es ist, erstens, der freiheitsfreudige Bürger, der gelegentlich seine beengende Wohnung zu verlassen pflegt, um rasch eine Besorgung zu erledigen, oder schnell mal in ein Kaffeehaus zu kurven oder kurz eine Freundin zu besuchen – all dies natürlich in der Stadt, in der inneren City gar, wo er die Parkplätze kennt wie der Pfadfinder seine Pfade.

Es ist, zweitens, die Mutter, die ihre Kinder mit dem Auto zur Schule bringt, um rechtzeitig zur Arbeit zu kommen, was sie mit Tram und Bus und S-Bahn niemals schaffen würde, die am Abend schnell zum Einkaufen fährt, weil sie ja dann auch noch für die Familie kochen will.

Es ist, drittens, die Oma, die mit dem Wagen die geliebten Enkel am anderen Ende der Stadt abholt, um ein paar vertraute Stunden mit den Kleinen zu verbringen und damit – was ja zu den grosselterlichen Aufgaben gehört –nebenbei die Tochter zu entlasten.

Alle diese Verkehrssünder sollen den Weg zur grünen Utopie demnächst auf dem Velo zurücklegen, mitsamt Freundin, Kindern, Enkeln, bei Regen wie bei Hitze wie bei Schnee, in Zürich die Rämistrasse rauf oder in Berlin Kilometer um Kilometer quer durch die Riesenstadt.

Ach ja, die öffentlichen Verkehrsmittel! Tram und Bus, U-Bahn und S-Bahn transportieren ihre Fahrgäste bekanntlich stets bis vor die Haustür. Aber was solls, der Weg zu Fuss von der Haltestelle bis ins Haus, zehn Minuten, zwanzig Minuten, eine halbe Stunde, ist in jedem Fall gesund, auch mit Rollator oder Stock, auch für drei- oder vier- oder fünfjährige Kinder.

Und überhaupt: Wer die autobeschränkte, die autobefreite Stadt nicht schafft, weil sie ihn schafft, der oder die soll zu Hause bleiben. In den linksliberalgrünen Plänen sind solche Bürger nicht vorgesehen.

Vorstellen kann man sich ja vieles – bis hin zur Dystopie einer grün-korrekten, vor den profanen Bedürfnissen ihrer Bürger beschützten Stadt. Es ist allerdings eine Jugend-Stadt – die Stadt der Klima-Jugend, der Ideologie-Jugend.

Die Stadt der Grünen Garden.

Charakterfrage
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Frank A. Meyer über Baerbock:Charakterfrage
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