Frank A. Meyer – die Kolumne
Luftwurzel

Publiziert: 28.05.2023 um 00:27 Uhr
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Aktualisiert: 28.05.2023 um 17:23 Uhr
Foto: Antje Berghaeuser
Frank A. Meyer

Das Stimmrecht für Ausländer – sogar das Wahlrecht – ist ein altes Anliegen der Linken. Im Kanton Zürich sollte Einwohnern ohne Schweizer Pass auf Gemeindeebene die politische Mitbestimmung ermöglicht werden. Eine rechte Mehrheit lehnte die Forderung ab.

Was ist das Stimmrecht? Es ist das Recht des Bürgers, über den Gang der öffentlichen Angelegenheiten in seiner Heimat zu bestimmen. Was ist die Heimat? Es ist der vertraute Lebensraum, wo sich der Bürger für die Geschicke der Gesellschaft verantwortlich fühlt.

In den Ohren der Linken klingt dies zu patriotisch. Sie hält die Bürgerrechte für banal: Wo jemand Steuern bezahlt, soll er über den Lauf der öffentlichen Dinge mitentscheiden. Steuerpflicht bringt Bürgerrecht. Oder auch:

Wer bezahlt, bestimmt.

Die Sozialdemokratin Jacqueline Fehr, Mitglied der Zürcher Kantonsregierung, zählt zu den Anhängerinnen des Ausländer-Stimmrechts, ja sogar des Ausländer-Wahlrechts. Soll man, muss man, darf man die Politikerin eine radikale Demokratin nennen?

Über Facebook und Presse verbreitete Jacqueline Fehr bereits vor einiger Zeit ihre Vorstellungen zur Reform der Demokratie: Je nach Alter soll das Stimm- und Wahlrecht der Bürger unterschiedlich gewichtet werden. Fehrs ganz konkrete Vorstellung: 18- bis 40-Jährige verfügen künftig über zwei Stimmen, 40- bis 65-Jährige über anderthalb Stimmen und alle noch Älteren über eine Stimme.

Die Abschaffung der Gleichheit!

Die Abschaffung der Demokratie!

«One man, one vote» – ein Bürger, eine Stimme, unabhängig von Rasse, Religion, Einkommen, Herkommen oder eben Alter – ist die Grundlage jeder freien und gleichen Gesellschaft.

Wie kommt eine Sozialdemokratin dazu, gestern die Liquidation der demokratischen Gleichheit für Schweizer Bürger in Erwägung zu ziehen? Wie kommt ebendiese Sozialdemokratin dazu, heute die Einführung der demokratischen Gleichheit für Ausländer zu befürworten?

Das Paradox ist keines: Jacqueline Fehr passt zu ihrer Partei.

Der Fetisch der Sozialdemokraten ist – weit über die Schweiz hinaus – der Ausländer. Je fremder, desto willkommener: als Objekt gesellschaftlicher Fürsorge, wie einst, in verblasster Vergangenheit, der tüchtige, der einfache, der arbeitende Bürger – der Arbeitnehmer.

Ihre neuen Schutzbefohlenen heissen die Genossen mit anrührenden Begriffen willkommen: Migranten, Asylbewerber, Flüchtlinge, Schutzsuchende – Rechtlose auch, weil nicht der Rechte teilhaftig, die ein Staatsbürger für sich in Anspruch nimmt.

Die Nicht-Fremden – Bioschweizer oder Biodeutsche genannt – figurieren in der sozialdemokratischen Wahrnehmung als Privilegierte, denen zwar die Rentenpolitik gewidmet ist, die darüber hinaus jedoch keiner weiteren kulturellen Zuwendung bedürfen. Oder soll sich die SPS auch noch um das Gefühl vom Fremdsein im eigenen Land kümmern?

Der linke Blick schweift hinaus in die Welt, am liebsten in den «globalen Süden», wie das aktuelle Reich der Verheissung hingebungsvoll genannt wird. Grossspuriger Globalismus gegen Staatsvolk-Solidarität.

Heimat ist out.

Ja, Heimat ist sogar verwerflich, werden doch Wort und Gehalt dieses Begriffs längst von der äusseren Rechten rhetorisch instrumentalisiert und politisch bewirtschaftet.

Doch wer hat der Rechten überall in Europa den Begriff Heimat überlassen? Den Begriff Vaterland? Den Begriff Nation? Den Begriff Patriotismus? Wer hat diese wärmsten Wörter für Zugehörigkeit und Geborgenheit – für das Eigene im eigenen Land – aus dem eigenen politischen Wortschatz verbannt?

Wer ist gerade dabei, mit der Säuberung des eigenen Vokabulars die eigene Geschichte zu entsorgen? Die grossartige Geschichte des Kampfes für die Bürgerrechte und Heimatrechte der Arbeiterschaft – gegen die Beschimpfung der Arbeiter als vaterlandslose Gesellen?

Arbeiterschaft? Wann war das? Heute wird die Linke von der Akademikerschaft regiert.

Inzwischen versammeln sich in Europa Millionen Bürgerinnen und Bürger zum Wählerprotest, weil sie mit den Luftwurzeln dieser linken Elite nichts mehr anzufangen wissen. Wo versammeln sie sich?

Hinter den rechtspopulistischen Parteien.

Akademiker- statt Arbeiterpartei
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Sozialdemokraten:Akademiker- statt Arbeiterpartei
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