Fix zur Gesellschaft
Warum es jetzt drinnen kalt ist

Aerosole sind die neuen, unsichtbaren Feinde. Deshalb lüften alle ständig. Das mag wichtig sein, ungemütlich ist es trotzdem.
Publiziert: 15.05.2021 um 15:14 Uhr
Alexandra Fitz

Chef: «Weisst du, worüber du schreiben musst?»

Ich: «Sag!»

Chef: «Dass es bei den Leuten daheim so kalt ist, weil alle ständig lüften. Das nervt.»

Ich: «Stimmt. Ein Freund von mir reisst auch ständig die Fenster auf. Wir sitzen dann gemütlich in seiner Küche. Im Februar und März war das die reinste Folter, wenn er sagte: ‹Könn mir gschwind kli d Fenschter öffne?› Kaum ausgesprochen, zog schon die kalte Luft in die warme Stube. Er merkte gar nicht, was er dabei zerstörte. Die wohlig-heimelige Stimmung. Meist verzogen wir uns dann aus dem Raum und suchten Wärme in einem anderen Zimmer. Er ermahnte uns auch ständig, nicht so laut zu sprechen. Also mich. Ich habe nicht gerade die leiseste Stimme. Irgendwie sitze ich immer noch dem Irrglauben auf, wenn ich lauter bin, werd ich besser gehört. Und wenn ich die Menschen neben mir beim Reden zusätzlich berühre, etwa am Arm, hören sie mir besser zu. Zuhören ist im 21. Jahrhundert eine grosse Kunst. Gehört werden ein Privileg. Ich weiss nicht, wie oft er das Wort ‹Aerosol› benutzt. Wer von uns wusste vor Corona schon, was genau damit gemeint ist? Wobei, was wussten wir schon vor der Pandemie?

‹Die flüssigen Partikel aus den Atemwegen bleiben in Form von kleinen Tröpfchen in der Luft und verteilen sich rasch in Innenräumen. Sie werden beim Atmen und Sprechen und noch stärker beim Lachen, Schreien und Singen ausgeschieden›, heisst es auf der Website des BAG. Mist, Lachen und Schreien sind quasi meine zweiten Vornamen.

‹Nach einer Distanz von 1,5 Metern verdünnen sich Aerosole. Dadurch sind die Viren weniger konzentriert, was das Risiko für eine Übertragung stark mindert. Ansteckungen durch Aerosole kommen deshalb nicht häufig vor›, steht da weiter. Zum Glück ist es jetzt wärmer draussen, und das Lüften stört die Gemütlichkeit in einem Haus nicht mehr.

Es ist doch so, dass man sich in warmen Stuben wohler fühlt, oder? Nicht umsonst sass früher die ganze Familie in der Küche, weil es da warm war – um den Herd. Und nicht umsonst wollen junge Leute heute wieder alte Kachelöfen.»

Chef: «Schreib jetzt!»

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