Wir hatten uns lange nicht gesehen. So lange, dass ich ihre beiden Kinder noch gar nicht kannte. Erst waren Zeit und Weg Ausreden, ab letztem Frühling dann Corona. Doch jetzt war dieses Baby da, ein umgebautes Haus und mein Wunsch: Jetzt muss es sein. Ich gebe zu: Wie die Einreisebestimmungen an diesem Freitag genau aussahen, wusste ich nicht wirklich. Aber wer sich in den letzten Monaten einmal die Mühe machte und im Internet prüfen wollte, ob und wie er in ein besagtes Land einreisen kann, weiss, wovon ich spreche: zig verschiedene Webseiten, zig verschiedene Informationen – und mehr Verwirrung als zuvor. Das hätte ich mir in dieser Pandemie öfter gewünscht: klare Ansagen. Aber ja, die Absicht war wohl, die Leute möglichst vom Reisen abzuhalten.
Wir hatten also eine Mappe hergerichtet. Mit negativen Tests und Einreiseformularen. Und wir entschieden uns, auf dem Weg nach Deutschland nur eine Grenze zu passieren, statt den schnelleren Weg zu nehmen, wo man auch noch an den Ösis vorbei musste. Als wir uns in der nördlichsten Stadt der Schweiz dem Grenzübergang näherten, wurden wir nervös. So nervös, wie ich es nur vom Schmuggeln zu früheren Zeiten her kenne. Aber das gehört jetzt nicht hierhin. Der Zoll liest mit.
Haben wir also den richtigen Test dabei? Fragen sie uns, warum wir nach München fahren? Reicht der Grund «Verdammt noch mal, ich will meine Freundin sehen!»? Werde ich laut und unhöflich sein? Prompt streckt eine der beiden Zöllnerinnen ihre Hand aus.
Zöllnerin: «Haben Sie Waren dabei?»
Ich: «Nein.»
Zöllnerin: «Was ist da hinten im Karton?»
Ich: «Ein Tretroller für ein Kind.»
Zöllnerin: «Den möchte ich mir anschauen. Fahren Sie bitte rechts ran.»
Beide Zöllnerinnen standen vor dem Kofferraum und beäugten die in Geschenkpapier eingepackte Schachtel.
Zöllnerin: «Ist das für Ihr Patenkind?»
Ich: «Ja, genau. Das ist ein hammer Tretroller!»
Zöllnerin: «Ah, echt? Für welches Alter denn?»
Ich: «Man kann damit schon so ab zwei Jahren fahren, der hält aber sicher bis fünf.»
Erstaunen und Kopfnicken.
Ich: «Das ist ein sehr gutes Produkt aus der Schweiz. Und gar nicht so teuer, finde ich.»
Zöllnerin: «Ach! Wie teuer denn?»
Ich: «Ich glaube, dieses Modell kostet etwa 69.90 Franken.»
Zöllnerin: «Ah, ja? Dann wünschen wir eine gute Weiterfahrt und viel Spass beim Verschenken.»