Ein älterer Herr mit dunkler Schirmmütze schaut zu mir rüber und lächelt. Ich lächle auch. Das tue ich immer, wenn ich älteren Menschen begegne. Das ist ein Reflex. Ich stelle mir immer vor, wie sie alleine in einer Stadtwohnung leben, die Kinder im Ausland oder zu wenig Zeit, und dass sie sich deshalb über ein Lächeln oder einen Schwatz freuen.
«Schläft es?», fragt er in meine Richtung.
«Ja», sage ich. «Sobald er im Kinderwagen liegt, schläft er sofort ein.»
«Schön», sagt der Herr im Tram. «Ich muss immer schauen, wenn ich ein Baby sehe. Darf ich?»
«Klar.»
Er hält sich an der Stange fest, zieht sich wacklig aus seinem Einersitz hoch und äugt in den Kinderwagen. «Kinder sind das Schönste, was wir auf der Welt noch haben», sagt er nun, als er sich langsam wieder hinsetzt.
«Da haben Sie recht», sage ich. Wie schön. Wie traurig. Hat er wirklich «noch» gesagt? Meine Augen werden sofort wässrig. Manchmal bin ich mir sicher: Kein Mensch ist näher am Wasser gebaut als ich.
Seine Frau hockt hinter ihm im Sitzli (ich hab die Einersitzli im Zürcher Tram sehr gerne, nicht erst seit Corona!) und sagt: «Dia chline Chnöpfli sind immer a Freud.»
«Ja», pflichtet ihr Mann bei. «Für die Mutter sind sie eine grosse Freude – aber auch viel Arbeit.»
Wie recht er doch hat, dieser Schirmmützenherr jenseits der 80. Nach den ersten Wochen mit Baby fasste ich mein neues Leben so zusammen: Ich bin oft überfordert, meist hundemüde aber immer glücklich.
Das Paar im Tram hat die Blicke wieder in Fahrtrichtung. Es geht jetzt ums Wetter. Sie lehnt sich ein wenig nach vorn, um näher an seinem Ohr zu sein, und erzählt ihrem Gatten, wie das Wetter in den nächsten Tagen wird.
Sie: «Morgen hat es Minusgrad.»
Er: «Dann tu ich morgen staubsaugen.»
Sie: «Das ist eine gute Idee.»