Bill Browder
«Ich hoffe, dass ich mich in Bezug auf die Schweiz irre»

Im März berichtete SonntagsBlick über Bestrebungen im Europarat, die Schweiz zu verurteilen. Unternehmer und Putin-Kritiker Bill Browder antwortet in diesem Gastbeitrag auf die Kritik aus Bern.
Publiziert: 13:33 Uhr
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«Ich habe wenig Vertrauen, dass die Schweiz dieses Problem lösen wird»: Kritiker Browder.
Foto: Getty Images

Darum gehts

  • Schweiz erstattet Geld an Personen im Magnitski-Fall zurück, Kritik folgt
  • Ukrainische Abgeordnete untersucht Schweizer Umgang mit Geldwäschefall Magnitski
  • 14 Millionen Franken werden an Personen mit Verbindung zum Fall zurückerstattet
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Kürzlich veröffentlichte der SonntagsBlick einen Artikel über die Untersuchung der ukrainischen Abgeordneten Lesia Vasylenko zum Umgang der Schweiz mit dem Geldwäschefall Magnitski («Angriff auf die Schweiz»). Anstatt auf die geäusserten ernsthaften Bedenken einzugehen, schien der Artikel darauf ausgerichtet zu sein, Frau Vasylenko für ihre legitime Arbeit als Sonderberichterstatterin der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (PACE) anzugreifen.

Im Mittelpunkt dieser Angelegenheit steht ein beunruhigender Entscheid: Die Schweiz erstattet 14 Millionen Franken an Personen zurück, die mit dem Finanzdelikt in Verbindung stehen, das zur Ermordung von Sergei Magnitski führte. Frau Vasylenko versucht durch ihren jüngsten Besuch in der Schweiz die Gründe dafür zu verstehen. Gerade auch weil Vinzenz Schnell, der führende Schweizer Strafverfolgungsbeamte im Fall Magnitski, wegen der Annahme von Jagdreisen auf Kosten russischer Oligarchen verurteilt wurde.

Offensichtlicher Interessenkonflikt

Weitaus genauer untersucht werden muss, wie Schnell die Magnitski-Untersuchung vor seiner Verurteilung gezielt unterminierte. Obwohl er der leitende Beamte in dem Fall war, nahm Schnell Geschenke an. Er ging auf von russischen Beamten finanzierte Jagdreisen, bei denen er gebeten wurde, die Ermittlungen zu behindern. Durch die gezielte Verzögerung der Ermittlungen versuchte er die Justiz zu behindern. Er diskreditierte einen wichtigen Zeugen und schuf Verfahrensblockaden, die den gesamten Fall kompromittiert haben. Besonders beunruhigend ist, dass die Schweizer Behörden seine kompromittierte Arbeit später als Grundlage für die Einstellung der Ermittlungen nutzten, trotz seines offensichtlichen Interessenkonflikts.

Was diese Entscheidung noch besorgniserregender macht, ist ihr Zeitpunkt. Die Schweiz gibt diese Gelder an Personen zurück, die mit russischer Korruption in Verbindung stehen, während Russland aktiv Krieg gegen die Ukraine führt. Dieses Vorgehen birgt die Gefahr, Russlands anhaltende Aggression in einem kritischen Moment indirekt zu unterstützen. Für ein Land, das sich neutral gibt, zeugt das Vorgehen der Schweiz in dieser Angelegenheit von einer beunruhigenden Bereitschaft, Finanzströme zu ermöglichen, die letztlich russische Militäroperationen finanzieren könnten.

Ich hätte gedacht, dass die Schweiz, wie jedes andere Land, eine Überprüfung begrüssen würde, wenn Korruption in ihrem System aufgedeckt wird. Und dass sie den Missstand dann ausmerzen würde, damit er nie wieder vorkommt. 

Stattdessen war ich erstaunt, als Schweizer Beamte, die im SonntagsBlick-Artikel zitiert wurden, Frau Vasylenko, eine angesehene Abgeordnete des ukrainischen Parlaments und Sonderberichterstatterin der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, persönlich angriffen. SVP-Nationalrat Alfred Heer nannte es «arrogant», dass «sich eine Ukrainerin als moralische Autorität ausgibt». Die Schweizer Bundesanwaltschaft (BA) weigerte sich sogar, Frau Vasylenko zu treffen, mit der Begründung, die Angelegenheit sei «politisch, nicht rechtlich».

Die Fixierung auf Frau Vasylenkos ukrainische Staatsangehörigkeit stellt einen klaren Versuch dar, ihre Arbeit zu delegitimieren. Es ist wichtig, zu verstehen, dass Frau Vasylenkos Rolle über ihre Staatsangehörigkeit hinausgeht. Ihre Verantwortung besteht darin, im Namen der gesamten Parlamentarischen Versammlung zu untersuchen und zu berichten. Hätte ein Sonderberichterstatter aus einem anderen Mitgliedsstaat des Europarats dieselben Probleme aufgedeckt, wäre sein Mandat identisch. Die Untersuchung ist nicht «ukrainisch», sondern eine ordnungsgemässe Funktion der europäischen parlamentarischen Aufsicht, und die Fokussierung auf Frau Vasylenkos Nationalität dient lediglich dazu, von den ernsten Problemen abzulenken.

Noch erstaunter und beunruhigter war ich über die Andeutung Schweizer Beamter, die Schweiz könnte ihre Hilfe für die Ukraine kürzen, nur weil eine ukrainische Parlamentarierin ihre Pflicht als Berichterstatterin des Europarats erfüllt. Solche Drohungen sind unverantwortlich. Humanitäre Hilfe darf niemals als Waffe eingesetzt werden, um legitime Aufsichtsbehörden zum Schweigen zu bringen, insbesondere nicht gegen ein Land, das sich derzeit gegen genau den Aggressor verteidigt, der mit diesen Finanzverbrechen in Verbindung gebracht wird.

Die Schweiz hat ein Problem und gilt vielen als lax in Sachen Geldwäsche. Trotz wiederholter Behauptungen, sie habe «eines der strengsten Gesetze gegen Geldwäsche weltweit», deuten alle Beweise darauf hin, dass dies nicht stimmt. Man kann entweder den Überbringer der Botschaft angreifen oder das Problem lösen.

«Schweizer Staatsfeind Nummer 1»?

Ich habe wenig Vertrauen, dass die Schweiz dieses Problem lösen wird. Als ich 2023 vor der US-Helsinki-Kommission aussagte und Magnitski-Sanktionen gegen die korrupten Schweizer Beamten forderte, die Geld an Russen zurückgezahlt hatten, die in den Magnitski-Fall verwickelt waren, bezeichnete mich der SonntagsBlick als «Schweizer Staatsfeind Nummer 1», anstatt die berechtigten Bedenken zur Kenntnis zu nehmen.

Meine Skepsis gegenüber der Bereitschaft der Schweiz, diese Probleme anzugehen, verstärkte sich, als das Schweizer Parlament das Magnitski-Gesetz ablehnte – ein Gesetz, benannt nach meinem ermordeten Anwalt, das die Vermögenswerte von Menschenrechtsverletzern einfrieren und ihnen die Einreise verbieten würde. Dies ist das einzige Parlament, das ich je gegen dieses Gesetz stimmen sah. Es stimmte damit dafür, Folterer und Mörder weiterhin willkommen zu heissen, damit sie Geld ins Land bringen.

Ich hoffe aufrichtig, dass ich mich in Bezug auf die Schweiz irre. Ich kenne viele ehrenwerte Schweizer Bürger, die schockiert wären, wenn sie wüssten, dass dies geschieht. Aber es nützt nichts, einen Abgeordneten anzugreifen, der versucht, die Geldwäscheprobleme der Schweiz zu lösen, und es nützt auch nichts, mich anzugreifen. Anstatt den Überbringer der schlechten Nachricht zu erschiessen, wäre den langfristigen Interessen der Schweiz besser gedient, wenn sie sich den Sorgen um ihr Finanzsystem und ihrem Engagement im Kampf gegen die internationale Korruption widmen würde.

Die wahre Bewährungsprobe für die Integrität der Schweiz wird nicht in ihren Abwehrreaktionen liegen, sondern in ihrer Bereitschaft, sich unbequemen Wahrheiten zu stellen und sinnvolle Reformen durchzuführen.

* Sir William Felix «Bill» Browder (60) ist ein britischer Unternehmer und Menschenrechtsaktivist. Seit dem Tod seines russischen Wirtschaftsberaters Sergei Magnitski (1972–2009) in russischer Haft gilt er als harscher Kritiker des Kremls. 

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