Mein Kleid war grün, die Schweiz hatte das Pariser Klima-Abkommen ratifiziert, sich offiziell Öko-Ziele verordnet, und ich war bereit, den Nationalbankpräsidenten Thomas Jordan in einem TV-Interview zu fragen, warum die Schweizerische Nationalbank (SNB) mit dem Schweizer Volksvermögen nicht nachhaltiger umgehe. Warum unser Geld ausländische Ölkonzerne und Waffenhersteller finanziere.
Ich bin überdurchschnittlich gross, aber im Verhältnis zum 2-Meter-Notenbankmann fühlt sich fast ein jeder klein. Klein auch angesichts der gigantischen Summen, welche der Währungshüter verschiebt. Selbst auf dem grössten Aktienmarkt USA ist die SNB kursbewegender Koloss. Ich war also sichtlich nervös. Ich habe ihn trotzdem gefragt. Schliesslich geht es auch um Verantwortung und Ethik im Umgang mit Volksvermögen. Jordan reagierte mehr als verärgert. Das war 2018.
Heute pumpt die Schweizerische Nationalbank allein in den USA immer noch 1,5 Milliarden Franken in Bombenhersteller wie Raytheon und 1,3 Milliarden Franken in Klimasünder. Meine Fragerei hat also rein gar nichts bewegt. Alles andere hätte mich auch erstaunt. Der Präsident meinte nach dem Interview nämlich: «Frau Laeri, diese Fragen, die meinen Sie aber nicht etwa ernst?»
Doch. Und ich meine sie nach wie vor ernst. Sehr ernst sogar. Genauso ernst wie die oberste europäische Zentralbankerin Christine Lagarde. Sie will die Billionen EZB-Gelder dafür einsetzen, möglichst grüne Firmenanleihen zu kaufen. Die Corona-Krise bestätigt ihre Strategie, denn nachhaltige Investments haben sich während der Pandemie besser gehalten. Derweil die SNB mit Anlagen in Ölkonzerne das Schweizer Volksvermögen geschmälert hat.
Im Gegensatz zu den Kadermännern der SNB hat Lagarde – und übrigens auch immer mehr Schweizer Pensionskassen – ein Verantwortungsgefühl gegenüber jungen Menschen. Die EZB-Chefin betont, sie wolle auch ihren Enkelkindern mit gutem Gewissen ins Gesicht blicken können. Nur nachhaltiges Anlegen sei langfristig auch wirtschaftlich.
Dem schliesst sich auch die Mutter aller Notenbanken, die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), an und warnt eindringlich vor Umweltrisiken. Die Klimakrise könne zur Finanzkrise werden. Dies fürchten auch Schweizer Politiker, fordern eine verantwortungsvollere Nationalbank und Nachhaltigkeitsziele. Der Bundesrat unterstützt ein entsprechendes Postulat. Die Schweiz hat sich mit der Ratifikation des Pariser Klimaabkommens offiziell dazu verpflichtet, auch Finanzflüsse umweltverträglicher zu gestalten – also auch das Anlage-Gebaren der SNB.
Die grosse Frage bleibt also, warum betreibt Super-Investor SNB weiterhin armseliges Risikomanagement und verharmlost ethische und ökologische Risiken?
Die Frage treibt mich seither um. An was liegt es? Ist es Ignoranz, Arroganz? Nun deuten neuste Daten darauf hin, dass es auch an der dominanten Männerkultur in der SNB liegt. Geldökonom Fabio Canetg hat dazu erstmals brisante Daten erhoben. Sie zeigen auf, dass es in der mächtigen Währungsinstitution keinen Platz hat für Andersdenkende. Sie zeigen, dass die Nationalbank Frauen systematisch nicht befördert und Männer bevorteilt. Insbesondere im Departement III, also dort, wo das mächtige Anlageteam der SNB sitzt, ist die Männerdominanz erschlagend (mehr dazu im Podcast «Geldcast»).
Männer entscheiden also über das Vermögen der Schweiz, das zur Hälfte auch Frauen zusteht. Die männlich dominierte SNB bildet damit das pure Gegenteil zur EZB, welche bereits ein Jahrzehnt lang Vielfalt systematisch fördert – wie viele Schweizer Finanzkonzerne übrigens auch. Die Hüterin des Euros strebt klar einen Anteil von Kaderfrauen von 50 Prozent an und ist auf dem besten Weg dazu. Die SNB dagegen hat 81 Prozent Männer in führenden Positionen, belächelt Diversity-Programme, genauso wie Klimaziele und ethische Anlageüberlegungen. Es wäre an der Zeit, dass man auch in der Schweiz nicht mehr darüber lächelt. #aufbruch