#aufbruch mit Patrizia Laeri
Wie Corona Reiche noch reicher macht

Wer hat, dem wird gegeben. Das ist auch in der Corona-Krise so. Die Reichen sind noch reicher geworden – aber die grosse Mehrheit der Menschen hat nichts davon.
Publiziert: 22.07.2020 um 07:03 Uhr
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Aktualisiert: 01.09.2020 um 19:31 Uhr
Kolumnistin Patrizia Laeri.
Foto: Thomas Buchwalder

Jeder vierte Erwachsene, den wir auf der Strasse treffen, hat kein Geld auf der hohen Kante. Das Vermögen ist in unserem Land so ungleich verteilt wie fast nirgendwo sonst auf der Welt. Nur in den USA ist der Graben zwischen Reich und Arm leicht tiefer. Die Statistiken hierfür hat das Magazin «Beobachter» in einem eindrücklichen Vermögensreport zusammengetragen. Die für Ungleichheit zuständige Kennzahl, der Gini-Koeffizient, steigt seit den 80ern. Und er wird es weiterhin tun, dank der Krisenpolitik von Staat und Nationalbank.

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) flutet die Märkte weiterhin mit Geld, kauft Aktien und hält die Zinsen schön tief. Das ist wunderbar für Reiche, da dies die Preise von Vermögenswerten wie Aktien oder Häusern hochtreibt. Die SNB tut das in bester Gemeinschaft mit anderen Zentralbanken, welche die Krise dazu nutzen, jegliche roten Linien zu überschreiten und so viel Geld wie noch nie ins System zu pumpen.

Gewonnen und sogar gespart

Das hat bisher bestens funktioniert: Die Finanzmärkte sind stabil, gewisse Rekordwerte an der Börse gar wieder überschritten. Der kleine Anteil der Menschheit, der Aktien besitzt, ist damit herrlich abgesichert. Die Schweizer Chefin des weltgrössten Vermögensverwalters Blackrock, Mirjam Staub-Bisang, stellt es unmissverständlich klar. Reiche habe die Corona-Krise kaum getroffen. Es seinen vor allem Ärmere, also auch jene in schlecht bezahlten systemrelevanten Jobs, die leiden würden. Der Finanzriese Blackrock sieht das anhand der Konten ihrer reichen Klientel.

Die Reichen haben an den Börsen nicht nur gewonnen, sondern sind zusätzlich noch reicher geworden, weil sie während Corona mehr gespart haben. Erste Zahlen aus Grossbritannien zeigen, dass die Superreichen dort allein während des Lockdowns rund 27 Milliarden Franken gespart haben. Die Luxusläden waren schliesslich geschlossen, feudales Reisen verboten.

Die Armen haben nichts davon

Reiche kommen dank Corona auch günstiger an noch mehr Geld, sprich: Kredite zu Tiefstzinsen. Wohlhabende besitzen Firmen. Für Firmen gibt es nun Staatskredite zum Nulltarif. Auch ich als Unternehmerin habe so einen Nullzinser beantragt. Zugegeben – auch zu Recherche-Zwecken. Und siehe da, die Staatshilfe war innerhalb weniger Stunden auf dem Konto. Unbürokratisch, digital und grosszügig. Innerhalb von sieben Jahren rückzahlbar. Manche Kleine wie Coiffeure und Wirte haben davon profitiert. Aber vor allem auch Grosse wie Anwaltskanzleien oder Unternehmensberatungen. Dagegen ist an sich nichts einzuwenden.

Es ist gut, die Wirtschaft in der Not zu stützen. Noch besser wäre es, auch die Gesellschaft zu stützen. Das Problem ist, dass Menschen, die wirklich arm und bedürftig sind, nichts von hohen Aktienkursen, Billigkrediten oder staatlichem Rettungsgeld haben. Der alleinerziehende Vater, der den Job verliert und seine Kinder weiterhin fördern will, der bekommt keinen Nullzinser. Der kann seinen Kindern keine Museen, Musikunterricht, Klassenfahrten mehr zahlen, obwohl auch er in die Zukunft investiert, in die Zukunft des Landes, die einzig auf gut gebildeten und gesunden Kindern beruht.

Millionäre wollen höhere Steuern

Während Tausende Menschen ihren Job verloren haben, profitieren andere und ihre Geschäfte sogar davon. Kein Wunder, bereitet dies auch dem ein und anderen privilegierten Menschen grosses Unbehagen. 83 Millionärinnen haben kürzlich höhere Steuern gefordert – für sich selbst. Sie nennen sich «Millionaires for Humanity», Millionäre für Menschlichkeit. Zusammen mit grossen Hilfsorganisationen haben sie einen offenen Brief an die G-20, Finanzministerinnen und Zentralbanker verfasst.

Zurück zum alleinerziehenden Vater. Auf Reserven kann er nicht zurückgreifen. Zur Erinnerung: Jeder Vierte hat kein Vermögen. Und 94,1 Prozent der Steuerpflichtigen in der Schweiz haben ein Vermögen unter einer Million. Das ist eine klare Mehrheit. Und damit eine gute Nachricht. Wenn die Politik nicht für eine gerechtere Gesellschaft sorgt, wird diese Mehrheit jede Volksinitiative gewinnen. Und interessante Ideen für eine gerechtere Gesellschaft gibt es weltweit genug, Erbschaftssteuern oder dezidierte Initiativen gegen Kinderarmut inklusive. #aufbruch

Patrizia Laeri (42) ist Chefredaktorin von CNN Money Switzerland sowie Beirätin im Institute for Digital Business der HWZ. Sie schreibt jeden zweiten Mittwoch im BLICK.

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