Seit ich lebe, zerteilen Kondensstreifen den Himmel. Jetzt ist er blau, ultrablau wie noch nie. Und ich kann ihn hören den Frühling. Er zwitschert. Der Fluglärm ist weg. Es atmet sich leicht. Und war das Wasser jemals so klar? Es hat schon was, dieses ungetrübte Leben ohne Treibhausgase, Abgas-Gestank auf ausgebauten Radwegen.
Gleichzeitig weichen mächtige Wirtschaftslobbys gerade viele Klimaziele auf. Rund um den Planeten werden Airlines mit Milliarden gerettet. Die meisten bedingungslos. Und vergangene Daten lehren: Nach Krisen steigen Schadstoffe höher als je zuvor. Das muss sich nicht wiederholen. Noch ist es nicht zu spät.
Ökonomie und Ökologie müssen kein Widerspruch sein. Schonender Umgang mit Ressourcen ist ein urwirtschaftliches Konzept. Nachhaltig lohnt sich. Auch am Aktienmarkt. Wer in zukunftsfähige Firmen investiert, ist derzeit an der Börse krisenfester. Nicht nur Umweltaktivisten, sondern auch immer mehr bedeutende Ökonomen fordern, dass wir unsere Wirtschaft neu und grün denken. Beispielsweise Nobelpreisträger Stiglitz. Er hat eine aktuelle Oxford-Studie mitverfasst. Sie hat Hunderte Hilfspakete der letzten Finanzkrise untersucht. Fazit: Grüne Konjunkturpakete fördern die Wirtschaft am meisten. Gerade erneuerbare Energien bringen viele neue Jobs. Wind- und Solarparks aufbauen benötigt erheblich Personal. Auch Gebäude sanieren, sauberen Verkehr fördern, Radwege und Schienen verlegen, klimafreundliche Forschung ankurbeln und digitale Netzwerke ausbauen bringe die Wirtschaft vorwärts, rechnet die Studie vor. Genauso wie Arbeitslose umschulen – hin zu zukunftsfähigen, klimafreundlichen Berufen.
Vieles davon steckt auch in Ursula von der Leyens «Green Deal» für Europa. Details zum grossen Wurf sind vor ein paar Tagen durchgesickert. Sogar Umweltorganisationen sind beeindruckt. Die EU-Kommissionspräsidentin stellt heute den Plan für eine nachhaltige Reanimation der europäischen Wirtschaft offiziell vor, darunter auch Kaufprämien für saubere Autos. Natürlich wird danach viel beraten und Zeit vergehen. Aber zumindest ist da bereits ein Plan für den Öko-Umbau der Wirtschaft. Schade, dass in der Schweiz nur wenige Parteien entschlossen darauf pochen, nicht in eine Wirtschaft von gestern zu investieren und an grünen Finanzspritzen zu arbeiten.
Und welche Rettungsaktionen schneiden in der Studie miserabel ab? Jene für Fluglinien – sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich. Die bedingungslose Swiss-Rettung ist demnach auch aus wirtschaftspolitischer Sicht erneut kein Ruhmesblatt für die Schweiz. Immerhin Frankreich und Österreich haben ihre Airlines unter Klima-Bedingungen gerettet. So oder so, die Hilfsmilliarden vergrössern den Einfluss des Staats, und er wird in der Wirtschaft noch lange viel zu sagen haben.
Deswegen haben mehr als 150 Multis zusammen mit der Uno die Regierungen der Welt letzte Woche aufgefordert, die Giga-Hilfspakete mit Öko-Kriterien zu verknüpfen. Gleichzeitig versprechen sie, sich selber für eine klimaneutrale Wirtschaft einzusetzen. Nur so sei man in kommenden (Klima-)Krisen widerstandsfähig. Die Initiative tragen auch viele Schweizer Konzerne wie Nestlé, Novartis oder die Zurich Versicherung mit.
Man mag das als Marketing-Gag und Greenwashing abtun, bemerkenswert ist es allemal. Die Geschäftswelt ruft den Staat auf, jetzt erst recht eine klimaneutrale Wirtschaft zu fördern. Sie hat längst eingesehen, dass grüne Anliegen gleichzeitig auch Anliegen für eine starke, gesunde Wirtschaft sind. Grüne Anliegen sind weder rechts noch links. Nur sie sichern unsere Zukunft. Öko tut der Wirtschaft gut. Staat und Wirtschaft müssen auch keine Widersacher sein. Wer hat uns das eigentlich alles eingeredet? Fertig mit alten Denkmustern. Auf was wartet die Politik eigentlich noch? Frühling war schon immer die beste Zeit für einen Neuanfang. #aufbruch
* Patrizia Laeri (42) ist Wirtschaftsredaktorin und -moderatorin von «SRF Börse» und «Eco» sowie Beirätin im Institute for Digital Business der HWZ. Sie schreibt jeden zweiten Mittwoch für BLICK.