Kolumne #aufbruch
Die weibliche Krise – und Chance

Dank eines neuen Datenprojekts, das eine junge Frau in der Schweiz initiiert hat, kann man jetzt frauenfreundliche Handelspolitik direkt messen.
Publiziert: 04.08.2020 um 23:37 Uhr
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Aktualisiert: 09.12.2020 um 15:32 Uhr
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Kolumnistin Patrizia Laeri.
Foto: Thomas Buchwalder
Patrizia Laeri

«Ich bin hoffnungsfroh für Frauen.» Diese Worte stammen leider nicht von mir. Ich neige wie manche Berufskollegen dazu, oft mit der Welt zu hadern, speziell in diesem Jahr, das so vieles aus den Fugen gehoben hat. Ich versuche zwar, nicht nur zu lavieren, sondern stets auch Lösungen zu beschreiben. Aber eben, das ist mir – und mit Verlaub leider auch vielen anderen Stimmen in den Medien – seit Corona ein wenig abhanden gekommen. Hoffnungsvolle Worte sind noch rarer geworden.

Nicht vorbereitet auf digitalen Corona-Wandel

Ich bin hoffnungsfroh für Frauen: Diese Worte hat eine andere Frau in der Schweiz geäussert. Eine, die dabei ist, von Genf aus die Welt zu verändern. Es ist Vanessa Erogbogbo, einer der führenden Köpfe des International Trade Centers (ITC), einer gemeinsamen Organisation der WTO und Uno. Eine junge Frau, die nur zu gut weiss, dass es noch 250 Jahre dauern wird, bis Frauen wirtschaftlich gleichgestellt sind, dass Unternehmerinnen eher kleinere Firmen führen, in weniger produktiven Branchen und wirtschaftliche Schocks ihre Geschäfte härter treffen.

Wie jetzt die Corona-Krise. ITC hat weltweit Unternehmerinnen befragt. Über 90 Prozent berichten, dass sie weniger verkaufen. Erogbogbo weiss, dass Frauen die Verliererinnen der Corona-Krise sind. Sie weiss beispielsweise, dass 300 Millionen weniger Frauen als Männer Zugang zum Internet haben und damit auch zu Wissen und Märkten. Der digitale Graben zwischen den Geschlechtern beträgt laut Mobile Gender Gap Report 23 Prozent. Das wirkt sich nun auch auf die Geschäfte und Shops der Frauen aus. Viele Kleinstunternehmerinnen waren nicht vorbereitet für den digitalen Corona-Wandel. Als ehemalige Bankerin weiss Erogbogbo insbesondere auch, dass Geschäftsfrauen viel mühseliger an Geld gelangen als männliche Kollegen. Bankkonten, Kredite, Investoren: Dafür zahlen Frauen einen deutlich höheren Preis.

Ansteckender Elan

Erogbogbo ist also definitiv eine Frau, welche die Daten und oft prekäre Lage der Frauen gut kennt. Also, warum ist sie so hoffnungsvoll? Weil sie das gigantische Datenprojekt SheTrades losgetreten hat. Frauenfreundliche Handelspolitik kann man damit jetzt direkt messen. Ein simples Online-Tool hilft Ländern, nicht nur für ihre Exporteurinnen, sondern auch für ihre Bürgerinnen die besten Handelsabkommen abzuschliessen. Zum Beispiel nicht zuzulassen, dass Frauenprodukte wie Tampons extra besteuert werden, mit einer sogenannten Pink Tax.

SheTrades beruht zu 80 Prozent auf Daten, die vorher noch gar nie gemessen wurden. Die Handelsexpertin ist aber auch hoffnungsfroh für die Frauen, weil sie Staat und Private zusammenbringt, die über Impact Fonds Millionen in weibliche Inhaberinnen investieren. Das Problem sei nicht das Fehlen privater Gelder. Billionen privater Gelder würden darauf warten, investiert zu werden. Das Problem sei die fehlende Erfahrung, diese Risiken zu managen. Das internationale Handelszentrum helfe da.

Überhaupt habe sich in den letzten fünf Jahren viel getan. 2017 haben 119 Länder in Buenos Aires eine Erklärung abgegeben, dass sie Frauen in der künftigen Handelspolitik berücksichtigen. Seither hätten immer mehr Länder Gleichstellung in die Handelsabkommen einfliessen lassen und ihre Politik überdacht. 10 Millionen Frauen haben global ein eigenes Geschäft. Das sind nur 31 Prozent der Unternehmen, wende ich da ein. Erogbogbo sieht das einmal mehr anders. Diese Zahl wachse. Und das zähle. So viel Elan kann ganz schön ansteckend sein. Ein bisschen hoffnungsfroh für Frauen bin nun selbst ich. #aufbruch

Patrizia Laeri (42) ist Chefredaktorin von CNN Money Switzerland sowie Beirätin im Institute for Digital Business der HWZ. Sie schreibt jeden zweiten Mittwoch im BLICK.

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