«Der nächste Laden ist 35 km entfernt»
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Schweizer Paar in Lappland:«Der nächste Laden ist 35 km entfernt»

Wenig Luxus, dafür viel Freiheit
Schweizer Auswanderer-Paar wagt Neustart in Schweden

Marianne Flückiger (55) und Wolf Bühler (51) haben vor vier Jahren in Schwedisch Lappland ihre Traum-Heimat gefunden. In Arvidsjaur haben sie sich mit ihren 43 Huskys eine neue Existenz aufgebaut.
Publiziert: 27.11.2022 um 15:04 Uhr
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Aktualisiert: 01.12.2022 um 13:43 Uhr
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Ausserhalb von Arvidsjaur, rund 100 km südlich des arktischen Polarkreises, steht das Wohnhaus des Schweizer Paars Marianne Flückiger und Wolf Bühler.
Foto: zVg
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Corine Turrini FluryRedaktorin Wohnen

Noch fehlt der Schnee in Lappland, wo Marianne Flückiger (55) und Wolf Bühler (51) mit ihren 43 Huskys zu Hause sind. Minus 15 Grad ist es tagsüber aktuell in Arvidsjaur, rund 100 Kilometer südlich des arktischen Polarkreises.

«Nachts wird es minus 25 Grad. Es ist aber eine trockene Kälte und darum gut auszuhalten», erzählt Bühler Blick. Auch mit der frühen Dunkelheit kommen die zwei gut klar. «Wenn es im Sommer 24 Stunden hell ist, macht mir das mehr Mühe», so Flückiger. Vor vier Jahren sind die beiden nach Lappland ausgewandert, wo sie Schlittenhundefahrten anbieten.

Das Schweizer Paar schwärmt von der Abgelegenheit seiner neuen Heimat. Nur vierzehn Häuser gibt es in ihrer Siedlung. «Unsere Nachbarn wohnen mehrere Kilometer von uns entfernt. Wir sehen von uns aus niemanden und geniessen die Weite und die Freiheit mit unseren Hunden in Schweden», so Bühler.

Gemeinsame Zukunft im Norden

Hauptgrund für die Auswanderung sei die Bürokratie und die vielen Einschränkungen in der Schweiz gewesen, so Bühler. Schon in der Schweiz war er selbstständig tätig und hat mit seinen Huskys Schlittenfahrten angeboten. «Ich hatte immer wieder Mühe mit den Behörden. Das hat mich viel Kraft gekostet und darum habe ich mich für einen Neuanfang in Schweden entschieden.» Eine Rückkehr in die Schweiz sei für die beiden undenkbar.

Der Zeitpunkt für den Neuanfang war ideal, denn Marianne Flückiger war längere Zeit aus gesundheitlichen Gründen nicht berufstätig. Nach ihrer Genesung wollte auch die Baslerin ihr Leben neu ausrichten und war daher offen für die Auswanderung nach Schweden.

Flückiger und Bühler waren sich seit Jahren durch ihre Hundeliebe freundschaftlich verbunden, bis aus der Freundschaft Liebe wurde und das Paar seine gemeinsame Zukunft im Norden plante. «Durch langjährige Freunde von mir in Schweden bekamen wir verschiedene interessante Objektvorschläge in Schweden, die wir prüfen wollten», so Bühler.

Hundezwinger teurer als das Wohnhaus

Bühler reiste seit 20 Jahren immer wieder als Fliegenfischer-Guide nach Schweden. Für Flückiger war die erste Reise nach Schweden kurz vor der Auswanderung. Wir haben ein Auto gemietet und verschiedene Häuser besichtigt. Die Weite und die Landschaft mit den vielen Flüssen und Wäldern hat mich sofort begeistert», schwärmt sie.

Das Paar fand ein einfaches Häuschen ausserhalb von Arvidsjaur auf einem Grundstück mit 22 Hektaren Land. Kostenpunkt: 140’000 Franken. «Dafür kriegst du in der Schweiz einen grösseren Briefkasten», meint Wolf Bühler lachend.

Die abgeschiedene Lage und dennoch in der Nähe der Stadt und des Flughafens, sei für ihr Projekt ideal, befand das Paar und unterschrieb den Kaufvertrag.

Teurer als das Haus waren die grosszügigen Hundezwinger mit den Hundehütten für 250’000 Franken, die Bühler und Flückiger für ihre Tiere aufstellten. «Schweden hat ein strenges Tierschutzgesetz und für die Bewilligung zur Haltung und Zucht gibt es strenge Vorgaben, die wir einhalten mussten», erklärt die Schweizerin.

Schwieriger Geschäftsstart in Schweden

Im November 2018 zog das Paar mit seinen damals 21 Hunden in die neue Heimat. Das erste Jahr waren sie mit Aufbauarbeiten beschäftigt, danach starteten sie sie mit ihrem Tourismus-Angebot.

«Der Anfang war schwierig, weil drei Monate später Corona kam. Wir lebten von unseren Ersparnissen, weil trotz des Sonderwegs von Schweden keine Gäste kamen und es keine Unterstützung vom Staat gab.»

Erst im letzten Winter wurden die Schlittenfahrten des Schweizer Paars in der FlyHu-Lodge gut gebucht. «Wir haben eine Kooperation mit einem deutschen Reiseveranstalter und haben darum vorwiegend Gäste aus Deutschland», erklärt Marianne Flückiger, die sich als langjährige Kaufmännische Angestellte um die Administration und Buchhaltung der Firma kümmert und für die Reiseagentur tätig ist.

Über die Sommermonate bietet der erfahrene Guide Bühler Fliegenfischen und Wildtiersafaris an. «Die Gegend ist ideal dafür. Von Bären über Rentiere oder Elche sind hier viele Tiere zu sehen oder Tierspuren zu entdecken und mit den vielen Flüssen und Seen ist es ein Paradies für Fischer», sagt Bühler.

Hohe Lebenskosten

Im einfachen Haus des Paares, das mit Holz geheizt wird, befindet sich neben dem Schlafzimmer noch ein Gästezimmer für Besuch aus der Schweiz.

Für saisonale Helfer hat es auf dem Grundstück geheizte Wohnwagen und für Feriengäste mit Camper bietet das Paar Stellplätze an. «Reich werden wir nicht, dafür haben wir viel Freiheiten und viel Platz in dieser wunderschönen und ruhigen Landschaft für uns und die Hunde», sagt Wolf Bühler.

Das Leben sei generell teuer in Schweden, nicht zuletzt wegen der Mehrwertsteuer von 25 Prozent. «Strom ist mit der Energiekrise um 50 Prozent gestiegen und auch Benzin wurde noch teurer.»

Dennoch sehen die Schweizer in der neuen Heimat optimistisch in die Zukunft. Nicht zuletzt, weil sie auch schon wieder einige Buchungen für die bevorstehende Wintersaison haben. «Momentan sind wir in den letzten Vorbereitungen. Wir beschäftigen die Hunde und trainieren mit ihnen. Das ist zeitintensiv», erklärt Flückiger.

Fondue in der Hütte

Was bei den zwei Schweizern auch in Schweden nicht fehlen darf, ist Fondue. In ihrer Kotta, was soviel wie Hütte bedeutet, essen sie mit Freunden und Gästen in geselliger Runde gern ein ganz besonderes Käsefondue. «Nicht auf einem Rechaud, sondern mit langen Gabeln vom Feuer!»

Etwa zweimal pro Woche fährt das Paar in die Stadt zum Einkaufen. Die Schweizer sprechen inzwischen immer besser schwedisch und können sich mit den Einheimischen gut verständigen. «In Arvidsjaur findet sich alles, was man zum Leben braucht. Von Einkaufsmöglichkeiten und Schulen bis zur Notfallklinik», so Flückiger.

Brot backt sie jeden Morgen frisch. Gemüse wird aber meist tiefgekühlt gekauft. «Frisches Gemüse ist hier rar und muss importiert werden. Das ist entsprechend teuer.» Die klimatischen Bedingungen seien wegen des Permafrost nicht ideal für einen eigenen Gemüsegarten. «Da müssten wir Treibhäuser bauen, aber wir haben für einen Garten gar keine Zeit. Wir kümmern uns die meiste Zeit um unsere Hunde und Gäste», erklärt Bühler.

Warten auf den ersten Schnee

Die Huskys und das Paar warten jetzt sehnsüchtig auf den ersten Schnee und freuen sich auf stundenlange Schlittenfahrten durch die weiten Schneelandschaften.

Marianne Flückiger schwärmt: «Unbeschreiblich schön ist es, wenn am Himmel auch noch Polarlichter zu sehen sind.»

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