Vor sechs Jahren verliessen die Blick-Leser Christoph (56) und Clara Schär-Cardinal (53) ihren Wohnort in Stäfa ZH und fanden 11'000 Kilometer entfernt ein neues Zuhause in Argentinien.
Früher verbrachten sie jeweils ihre Ferien dort. Aus gutem Grund: Clara Schär ist gebürtige Argentinierin. Kennengelernt haben sich die beiden aber in New York, wo sie studierten und später in der Finanzbranche arbeiteten.
Vor über zwanzig Jahren heirateten die zwei in Argentinien, lebten dann für einige Jahre in Brasilien, bis sie schliesslich mit ihren drei Kindern in Stäfa ZH sesshaft wurden.
«Wir hatten ein hervorragendes Leben in der Schweiz, aber manchmal fühlte ich mich wie in einem goldenen Käfig», erzählt der aus Langenthal stammende Schär mit noch immer unverkennbarem Berner Dialekt. Er wollte mit seiner Frau etwas Eigenes aufbauen.
Ausserdem sollten ihre Kinder in der zweiten Heimat Argentinien nicht nur das Ferienleben kennen. «Uns ist bewusst, dass wir privilegiert sind. Wir möchten unseren Kindern aber Werte vermitteln und wünsche uns, dass sie respektvollen Umgang mit Menschen in allen Gesellschaftsschichten und Kulturen pflegen, so wie wir dies auch tun», so der Familienvater.
Von Bankern zu Schafzüchtern
Durch ihre guten Beziehungen nach Argentinien ergab sich der Kauf eines Landguts mit Schafzucht in der Provinz Chubut in Patagonien. «Erst ab 2000 Schafen rechnet sich ein Kauf», ermittelten die beiden Banker. «Der Unterhalt an Infrastruktur, Mitarbeiterlöhne und alles Weitere ist nicht unerheblich», erklärt der seit 8 Jahren selbständige Finanzberater Schär.
2013 kaufte das Ehepaar mit seinen Ersparnissen den Landwirtschaftsbetrieb mit einem Grundstück in der Grösse von Baselland. Fortan verbrachten sie alle Schulferien auf dem Landgut und bauten den Betrieb und die Schafzucht auf.
Herzliche Menschen und schwierige Lebensbedingungen
Während der Abwesenheit des «Patrons» und der «Patrona», wie die Mitarbeiter Schärs nennen, kümmern sich fünf Festangestellte inklusive eines Betriebsleiters und bei Bedarf einige Tagelöhner um die Tiere und den Betrieb.
«Wir können unseren Angestellten absolut vertrauen, weil wir ihnen auch auf Augenhöhe begegnen. Wir zahlen anständige Löhne und Versicherungen und kümmern uns auch um sie und ihre Familien im Krankheitsfall oder bei Unfall», so Christoph Schär.
Das Leben sei insbesondere für die einfache Bevölkerung in Argentinien nicht leicht, wegen der extrem hohen Inflation und weil der Staat kaum unterstütze. «Ich kann nicht alles verändern, aber in unserem Mikrokosmos kann ich die Lebensbedingungen meiner Mitarbeiter doch etwas erleichtern.»
Immer wieder erwähnt der Familienvater die Herzlichkeit der Menschen in Argentinien, was mitunter ein auch ein Grund war, den Lebensmittelpunkt der Familie im Oktober 2016 ganz nach Argentinien zu verlegen.
«Unsere grösste Sorge dabei war es, dass unsere Kinder, die im Teenageralter waren, gut damit zurechtkommen und eine gute Ausbildung absolvieren können», so der Vater.
Familienleben
In San Isidro, einem Vorort von Buenos Aires, fand die Familie ein Zehnzimmer-Haus, mit Garten und Pool zur Miete. Das Haus am Zürichsee wird aktuell vermietet. Damit lassen sich die Wohnkosten und das Schulgeld der Kinder bezahlen. «Die Wohngegend hier ist nicht viel anders als in Stäfa. Die Deutsche Goethe Schule ist für die Kinder zu Fuss erreichbar», so Schär.
Joséphine (20), Pauline (18) und Jacques (16) haben sich gut im neuen Wohnort eingelebt und kommen in der Schule gut zurecht. Sie haben neben Freunden auch engen Kontakt mit ihren Cousinen und Cousins.
Clara Schär ist als Partnerin bei einem amerikanischen Headhunter tätig. Ehemann Christoph arbeitet von zu Hause aus und kümmert sich um Tochter Pauline, die mit Polo ein zeitintensives Hobby pflegt und Jacques, der in einem Juniorenteam Fussball spielt. An Matches ist meist die ganze Familie dabei. Bis auf Joséphine, die seit 2021 die Hotelfachschule in Lausanne absolviert.
Schweizer Auswanderer
Nachhaltiger Betrieb mit frei lebenden Tieren
Einmal im Monat ist Christoph Schär für einige Tage auf dem 1800 Kilometer entfernten Landgut und arbeitet auf dem Betrieb mit. Zum Beispiel bei der Schafschur im Oktober.
«Die Weite, die archaische Landschaft, die Tiere und die Natur sind faszinierend», schwärmt Schär. «Der nächtliche Sternenhimmel ist unbeschreiblich. Das muss man gesehen haben!» Wenn immer möglich, kommt Clara mit und das Paar geniesst die Zeit in der Abgeschiedenheit. Hier reiten sie mit Pferden durch die endlos erscheinende Steppe und packen bei den anstehenden Arbeiten mit an.
10'000 frei lebende Merinoschafe befinden sich auf dem zertifizierten, nachhaltigen Betrieb mit Solar- und Windanlagen. Die wertvolle Merinowolle wird nach Italien verschifft und dort verarbeitet. Ein gutes Geschäft, wie der stolze Patron erklärt. «Das Tierwohl steht aber bei uns immer an erster Stelle. Die Tiere sind unser Kapital.»
Ferien in der Schweiz
An eine Rückkehr in die Schweiz denkt das Ehepaar vorläufig nicht. Bei Tochter Joséphine verbringen sie jeweils ihre Ferien, so wie sie es vorher jahrelang in ihrer zweiten Heimat Argentinien gemacht haben.
Auf die Frage ihrer Schweizer Grossmutter, welches Land ihr besser gefalle, antwortet Joséphine: «Das lässt sich nicht vergleichen. Jedes Land hat seine schönen Seiten.» Dem können ihre Eltern nur beipflichten.