Darum ist Frankreich das Schweizer Auswanderer-Land Nummer 1
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Schweizer Botschafter erklärt:Darum ist Frankreich das Schweizer Auswanderer-Land Nummer 1

Schweizer Auswanderer über ihr Leben in Frankreich
«Mit der AHV könnte ich in der Schweiz nicht überleben»

Rund 30’000 Personen wandern jährlich aus der Schweiz aus. Der grösste Teil der Auslandschweizer hat sich in Frankreich niedergelassen. Darunter sind auch zahlreiche Blick-Leserinnen und Leser.
Publiziert: 13.03.2022 um 10:44 Uhr
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Das Palais Besenval in Paris ist heute Sitz der Schweizer Botschaft in Frankreich.
Foto: OFCL-Photo / Renaud Sterchi
Corine Turrini Flury

Ende 2020 wohnten mehr als 10 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer im Ausland. Das zeigt die aktuellste Statistik des Bundesamtes für Statistik.

Fast zwei Drittel der Auslandsschweizerinnen und -schweizern leben in Europa, der grösste Teil davon in Frankreich. Auch zahlreiche Blick-Leser und Leserinnen haben in Frankreich eine neue Heimat gefunden.

Warum ist unser Nachbarland so beliebt? Blick hat bei ihnen nachgefragt.

85 Prozent sind Doppelbürgerinnen

Roberto Balzaretti, Schweizer Botschafter in Frankreich, kennt einige Gründe, warum so viele Schweizer nach Frankreich auswandern. Er weiss auch, wo die meisten davon leben: in der Grossregion um Lyon und in Paris.

«Die Schweizer Präsenz in Frankreich hat historische Gründe und ist hauptsächlich auf die Auswanderung aus ärmeren Schweizer Gebieten anfangs des 20. Jahrhunderts zurückzuführen.» erklärt Balzaretti. Etwa 85 Prozent der Auswanderer in Frankreich seien französisch-schweizerische Doppelbürger. «Allein im Jahr 1900 verliessen 170‘000 Bürgerinnen und Bürger aus allen Gesellschaftsschichten das Land, 87‘000 davon Richtung Frankreich.»

Heute wandere primär qualifiziertes Personal aus der Industrie und dem Dienstleistungssektor nach Frankreich aus, erklärt der Botschafter weiter.

Frankreich als wichtiger Partner für die Schweiz

Beruflich sei Frankreich für einen Diplomaten eine spannende Destination, findet Balzaretti «Frankreich ist ein wichtiger Partner für unser Land: sozial, wirtschaftlich und kulturell. Mehr als 1000 Schweizer Firmen sind in Frankreich aktiv und beschäftigen mehr als 280’000 Arbeitnehmende.»

Balzaretti lebt seit 2020 in Paris – für ihn eine der schönsten Städte der Welt. «Paris bietet viel an akademischen, politischen, kulturellen und sozialen Anlässen», schwärmt er. Aber Paris sei nicht Frankreich und es lohne sich, die Regionen des Landes zu besuchen und seine Vielfalt richtig zu entdecken.

Auch aus der Blick-Community haben sich verschiedene Auswanderer gemeldet, die zum Teil schon seit Jahren in ihrer neuen Heimat Frankreich leben. Sie haben Blick ihre persönlichen Beweggründe und aus ihrem Leben erzählt.

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«Mit der AHV könnte ich in der Schweiz nicht überleben»

Rentner Georges Meyer (70) ist seit 2011 mit einer Französin verheiratet. Das Paar kaufte sich in dem kleinen Dorf Mailleroncourt-Saint-Pancras mit nur 193 Einwohnern ein Haus. Das Dorf liegt nur 90 Autominuten von Basel entfernt. Ehefrau Claudine Meyer (64) arbeitet aktuell noch in der Schweiz, bis auch sie bald pensioniert wird.

«Ausgewandert bin ich aus Liebe. Es war Claudines Wunsch, in Frankreich zu leben», erzählt Georges Meyer. Daneben habe es einen weiteren Grund gegeben, erzählt der Rentner, der früher bei verschiedenen Projekten als Selbstständiger tätig war. «Ich hatte keine 2. Säule und habe ausgerechnet, dass ich in der Schweiz mit der AHV von 2000 Franken im Monat nicht überleben kann.»

Das Paar lebt in Frankreich mit drei Hunden, drei Katzen und sechs Hühner. Die beiden lieben das ländliche Leben und pflegen Kontakte im Dorf und in den umliegenden Dörfern. Langweilig wird es dem Hobbymaler Georges Meyer nie. «Wir leben eher zurückgezogen und geniessen Platz und die Ruhe. Wenn wir etwas Stimmung wollen, hat unser Haus mit Atelier im sogenannten Voutenkeller eine Bar mit Billard und Dart.»

«Ich möchte dieses Stück noch intakte Natur nie mehr verlassen.»

Rudolf Sigrist (72) hat lange Zeit in Basel als Geschäftsführer gearbeitet. Vor 27 Jahren ist er mit seiner inzwischen verstorbenen Frau nach Frankreich ausgewandert. «Wir suchten Platz für unsere Pferde», erzählt Sigrist.

Das Paar liess sich in Le Val-d’Ajol, im südlichsten Ende der Vogesen, nieder. Sigrist züchtet Pferde und ist als Immobilienagent tätig – er verkauft Bauernhäuser. Seine Kunden sind vorwiegend Schweizer.

Die beiden Töchter des Ehepaars Sigrist, Elisa (31) und Linda (33), sind in Frankreich geboren und aufgewachsen. Wie seine Töchter ist auch Rudolf Sigrist inzwischen Doppelbürger. Eine Rückkehr in die Schweiz sei für ihn kein Thema. «Ich möchte dieses Stück noch intakte Natur nie mehr verlassen.»

Ein Paradies an der Côte d'Azur

«Frankreich war in den 80er-Jahren politisch stabilerer als andere Mittelmeerländer und zudem ein Land mit hoher Lebensqualität, Sicherheit und wunderbaren Gegenden in verschiedenen Klimazonen», erklärt Blick-Leser Christoph Rieder (74), warum er sich damals in Frankreich niedergelassen hat.

Er und seine Ehefrau Ilse (70) haben sich 1973 an einer Fachhochschule für Weinbau- und Kellerwirtschaft kennengelernt. Das Ehepaar aus Kastanienbaum LU lebt mit seinen drei erwachsenen Söhnen an der Côte d'Azur und produziert Bio-Weine.

Von 1975 bis 1980 führte das Ehepaar Rieder mit Erfolg ein grosses Weingut in La Croix Valmer in der Nähe von St. Tropez. 1980 erwarb die Familie dann das Weingut Domaine des Planes, das auf den Collines des Maures liegt.

Auf dem Grundstück baute die Familie ein hübsches, provenzalisches Wohnhaus. «Wir wurden bis anhin von den Franzosen immer und überall mit Respekt, Freundlichkeit und Lebensfreude aufgenommen», schwärmt Rieder.

Neben dem Weinbau vermietet die Familie vier provenzalische Ferienwohnungen auf ihrer Domaine, die nur fünf Kilometer vom Meer entfernt liegt. Rieder schwärmt: «Hier hat Bacchus (Gott des Weines) sein Paradies gefunden.»

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