Désiréee und Jeremy modeln Tessiner Dorf Corippo zum Hotel um
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Paar sorgt für neues Leben:Das Tessiner Dorf Corippo wird zum Hotel

Pärchen eröffnet das erste Albergo Diffuso der Schweiz
Tessiner Dorf Corippo wird zum Hotel

Das stark von Abwanderung betroffene Dorf Corippo droht auszusterben und soll wiederbelebt werden. Für neues Leben im Dorf sorgen Désirée Voitle (29) und Jeremy Gehring (37) mit Söhnchen Ernesto. Das Paar wird das erste Albergo Diffuso in der Schweiz führen.
Publiziert: 15.04.2022 um 11:14 Uhr
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Aktualisiert: 06.05.2022 um 13:15 Uhr
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Für neues Leben im Tessiner Dorf Corippo sorgen Désirée Voitle (29) und Jeremy Gehring (37) mit Söhnchen Ernesto (2). Das Paar wird das erste Albergo Diffuso in der Schweiz führen.
Foto: Zvg
Corine Turrini Flury

Gerade mal sieben Einwohner zählte das Tessiner Dorf Corippo Anfang März 2022 noch. Mit der neu zugezogenen Familie von Désirée Voitle (29) und Jeremy Gehring (37) und Söhnchen Ernesto (2) sind es jetzt drei Personen mehr.

«Meine Frau und ich wollten schon lange gemeinsam ein Hotel führen und das Projekt in Corippo fanden wir sehr spannend. Darum haben wir uns als Gastgeber im Albergo Diffuso beworben», erzählt Gehring im Gespräch mit Blick. Der gelernte Koch hat einen zusätzlichen Abschluss in Betriebswirtschaft. Seine Lebenspartnerin Désirée Voitle ist mit der Hotellerie und dem Gastgewerbe ebenfalls bestens vertraut und hat die Hotelfachschule absolviert.

Gemeinsam hat das Paar unter anderem auch schon in Peru gearbeitet, bevor es vor fünf Jahren im Tessin sesshaft wurde.

Mit dem Konzept zur Führung des Hotelbetriebs in ihrer Bewerbung bei der Fondazione Corippo, die das fast ausgestorbene Dorf mit dem 2017 ausgezeichneten Tourismusprojekt wiederbeleben möchte, überzeugte das Paar Voitle und Gehring. Die beiden werden im kleinsten Dorf der Schweiz das erste Albergo Diffuso der Schweiz führen und die Osteria in Corippa an Ostern eröffnen.

Projektidee nach italienischem Vorbild

Die Idee für das Albergo Diffuso in Corippo stammt von dem Architekten Edy Quaglia, der den friaulischen Dichter und Schriftsteller Leonardo Zanier kannte. Zanier gilt als Begründer des Konzepts des Albergo Diffusos, das zur Unterstützung der Wiederherstellung des künstlerischen und architektonischen Erbes der kleinen Dörfer geschaffen wurde, die nach dem Erdbeben von 1976 in Friaul schwer beschädigt wurden.

Die Fondazione Corippo hat die Architekten Edy Quaglia und Franco Patà mit der Planung und dem Bau des Albergo Diffuso in Corippo beauftragt. Ziel ist es, Touristen nicht nur die Häuser, sondern auch die lokale Geschichte und Kultur von Corippo näherzubringen.

Lobby auf dem Dorfplatz

Die Fondazione Corippo erwarb vier der leer stehenden und verwahrlosten Rustici mit den typischen dicken Naturmauern und Steinplattendächern im Bergdorf und erneuerte sie. Auch die Osteria – das Dorfrestaurant – wurde komplett renoviert und verfügt über drei neue Gästezimmer im Obergeschoss.

Das Gebäude mit der Osteria ist das Herzstück des innovativen Hotelprojekts im authentischen Tessiner Dorf. Hier ist die Lobby mit der Rezeption, der Speisesaal, Terrasse und Mehrzweckraum. Statt durch einen Hotelflur führen die engen Gassen des Dorfs zu den Rustici mit den Gästezimmern.

Eröffnung erfolgt in Etappen

Noch sind nicht alle der zum Teil weit über hundertjährigen Häusern fertig renoviert. Ab Juni stehen die ersten Zimmer den Gästen zur Verfügung. Die kleinen Zimmer hinter den historischen Mauern sind modern und minimalistisch, aber mit jeglichem Komfort ausgestattet.

«Wir werden in Etappen eröffnen», erklärt Gehring. Dieses Jahr sollen vier Rustici mit total zehn Zimmer fertiggestellt werden. «Insgesamt werden wir zehn Gästezimmer mit 22 Betten anbieten können. Im Vordergrund stand für uns aber der Start der Osteria.»

Als langjähriger Koch in ausgezeichneten Restaurants wird er sich vorwiegend um das leibliche Wohl der Gäste kümmern, während seine Partnerin als Hotelmanagerin mehr für administrative Belange wie Buchungen und Marketing zuständig ist.

Tür an Tür mit Einheimischen

Die Betreuung von Sohn Ernesto teilt das Paar unter sich auf. Im nahen Gordola haben die beiden für den Kleinen ausserdem einen Krippenplatz gefunden, wo Ernesto auch andere Kinder zum Spielen hat.

Das junge Paar fühlt sich wohl im kleinen Bergdorf, auch wenn hier nicht viel los ist. Mit der Eröffnung soll sich das aber bald ändern. Mit naturverbundenen Touristen, die im typischen Tessiner Dorf eine Auszeit suchen, Tür an Tür mit den wenigen verbliebene Einheimischen und Ferienhausbesitzern, erhofft man sich wieder etwas mehr Leben in Corippo – und natürlich auch Einnahmen.

Musterbeispiel zur Rettung von Bergdörfer

Auf ungefähr vier Millionen Franken belaufen sich die Kosten für das Gesamtprojekt der Fondazione Corippo. Neben Privaten haben sich auch Bund und Kantone sowie Stiftungen wie die Schweizer Berghilfe an den Kosten für das innovative Projekt beteiligt.

Zentral für die Berghilfe war, dass einige der vom Zerfall bedrohten Rustici im historischen Weiler erhalten bleiben. Zudem konnten Arbeitsplätze geschaffen werden, und das Hotelprojekt haucht dem Bergdorf neues Leben ein. Aurelio Casanova, ehrenamtlicher Experte der Schweizer Berghilfe, meint: «Das Projekt in Corippo kann als Musterbeispiel zur Rettung eines vom Aussterben bedrohten Bergdorfs betrachtet werden und generiert Wertschöpfung für das ganze Tal.»

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