Draussen wird es kälter und bald kommt der Schnee. Martin Fuchs (41) ist bereit für den Winter – und das, obwohl er ziemlich unkonventionell in einem selbst gebauten Erdloch wohnt.
Im Sommer 2019 hat Blick den naturverbundenen «Erdmenschen» in seiner Höhle besucht. Ein Jahr später hat sich Fuchs auf dem gleichen Grundstück eine neue Lehmhütte gebaut.
Mehr Komfort und Platz
«Hier ist es etwas feudaler als in der alten Höhle», erzählt er lachend, als er Blick seine neue Unterkunft zeigt. Tatsächlich ist es in der Höhle warm und kuschlig, allerdings stehen ihm in seinem Erdhäuschen nur knapp acht Quadratmeter zur Verfügung.
Immerhin aufrecht stehen kann man in der Hütte. Und es gibt sogar einen Holzboden und eine Eingangstür.
Fuchs findet es ganz natürlich, in einem Höhlenbau zu wohnen. Er weiss von verschiedenen Kommunen, dass seine Wohnform durchaus einem Bedürfnis entspricht. «Höhlen als Rückzugsmöglichkeiten sind etwas Ursprüngliches und liegen allen Lebewesen in den Genen.»
Gemeinschaft im Bauernhaus, Ruhe im Erdhäuschen
Von aussen ist das mit Gras und Brennesseln überwachsene Haus kaum zu erkennen. Es könnte auch ein natürlicher Erdhügel sein.
Wo genau sich Fuchs Erdhaus befindet, möchte er geheim halten, denn sein Bau befindet sich in einem rechtlichen Graubereich. Seinen offiziellen und rechtsmässigen Wohnsitz hat er in einer Wohngemeinschaft auf einem Bauernhof, der auf dem gleichen Grundstück wie seine Höhle steht.
Momentan leben sechs Personen in der WG. Der jüngste Mitbewohner ist der sechs Monate alte Mahati. Zufrieden sitzt er bei seiner Mutter im Wohnzimmer, während Martin Fuchs in der offenen Küche mit dem Essbereich Tee für die Blick-Besucherinnen zubereitet.
Neben der Küche mit dem Wohn- und Essraum kann Fuchs auch Dusche und Toilette im Haus mitbenutzen. Im Sommer radelt er aber lieber zum See und badet dort. Die Verbindung zur WG ist dem Erdmensch wichtig: «Ich möchte nicht allein wohnen und bin gern in Gesellschaft, aber ich ziehe mich auch gern in mein Erdhäuschen zurück.»
Heizen mit einem Lehmofen
Sieben Monate hat Fuchs an seinem neuen Erdhaus gebaut. Unterstützt wurde er dabei von Freunden. Über einen Meter Erde hoben sie von Hand aus und legten das Loch zuerst mit Kies, dann mit Lehm aus.
Die Wände und Decke bestehen aus einem Gerüst aus biegsamen Haselnussruten vom nahen Wäldchen. Stroh und Papier sorgen für die Dämmung und zum Abdichten von Innen. Innen an den Wänden und der Decke wurde eine Lehmschicht aufgetragen. Eine Teichfolie über dem Bau schützt vor äusserlicher Feuchtigkeit.
Mit einem selbst gebauten Lehmofen wird das Erdhäuschen geheizt. «Am Morgen heize ich mit ein paar Holzstücken ein und dann ist es den ganzen Tag angenehm warm. Der Lehm sorgt für ein angenehmes Raumklima im Sommer und im Winter», erklärt Fuchs.
WLAN im Erdbau
Zur Südseite befindet sich eine Fensterfront, die ausreichend Tageslicht in den Bau lässt. Ein Solar-Panel neben dem Höhleneingang sorgt für Strom. «Ich habe hier sogar WLAN und Internet», sagt Fuchs schmunzelnd.
Auch für einen Sekretär zum Arbeiten hat Fuchs neben dem Fenster einen Platz gefunden. Unter dem Bett gibt es Stauraum für Kleider und andere Utensilien.
Alles wirkt ordentlich und aufgeräumt. Für die Katzenwäsche und zum Zähneputzen gibts einen kleinen Waschplatz im Bau.
Höhle für die Gäste
In seiner alten Höhle, die rund hundert Meter entfernt im Wald liegt, übernachtet der Erdmensch noch immer gelegentlich. Ab und zu stellt er sie auch Gästen zur Verfügung.
Seiner Partnerin sei es aber im neuen Häuschen um einiges wohler. «Sie fürchtet sich vor Spinnen und in der alten Höhle im Wald waren viele», sagt Fuchs lachend.
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Vom Ingenieur zum Kursleiter
Fuchs sitzt mit einer Tasse Tee in der Hand im Erdhaus auf dem Bett und erzählt von seinem Leben. Regelmässig bietet er Visionssuchen an, die er jeweils im Sommer als Leiter in Norditalien auf einer abgeschiedenen Alp durchführt.
Seine Kurse richten sich an Menschen, die sich selbst – abseits von Hektik – in der Abgeschiedenheit der Natur finden möchten. Damit verdient sich der Naturmensch seinen bescheidenen Lebensunterhalt.
Fuchs hat einen Master in Mikrotechnik und war vor seiner dreijährigen Ausbildung zum Visionssucheleiter als Konstruktionsingenieur in der Robotik tätig.
«Ich habe hier in meinem Erdhaus und mit der Gemeinschaft fast alles, was ich zum Leben brauche. Die Natur gibt uns so viel», sagt er und nascht vom Himbeerstrauch neben dem Erdhaus von den letzten verbliebenen Früchten. «Mit Brennesseln, Gänseblümchen und was sich sonst noch im Garten jeweils findet, bereite ich mir jeden morgen frischen Smoothie zu», erzählt er.
Neue Pläne im Kopf
Martin Fuchs hat sich in der Natur gefunden und fühlt sich wohl in seinem Bau. Dennoch ist offen, wie lange er noch in seinem Bau lebt.
Fuchs spielt mit dem Gedanken, in die Wohngemeinschaft seiner Partnerin im Kanton Bern zu ziehen. Aber auch dort möchte er sein Schlafraum gern wieder im Garten bauen. Jetzt freut er sich aber zuerst einmal auf den Winter, wenn die Natur ruht und auch er zur Ruhe kommt. «Wenn der Frühling kommt, wird sich zeigen, wohin es mich zieht.»