Hier baut sich ein Schweiz-Kolumbianer eine neue Existenz auf
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In seiner alten Heimat:Schweiz-Kolumbianer baut sich eine neue Existenz auf

In seiner Brust schlagen zwei Herzen
Schweizer Doppelbürger wandert in seine zweite Heimat aus

Geboren ist Michael Linke (45) in Bogota. Er wurde im Säuglingsalter von einer Schweizer Familie aus Hindelbank BE adoptiert. Seit Oktober 2020 lebt er wieder in Kolumbien und baut sich eine neue Existenz auf.
Publiziert: 12.10.2021 um 08:35 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2021 um 09:10 Uhr
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Geboren ist Michael Linke in Bogota und wurde mit sechs Monaten von einer Schweizer Familie aus Hindelbank BE adoptiert.
Foto: zVg
Corine Turrini Flury

Gerade mal sechs Monate alt war Michael Linke (45), als er von Bogota zu seinen Adoptiveltern in die Schweiz kam.

Zusammen mit zwei älteren Schwestern wuchs er wohl behütet und geliebt in Hindelbank BE auf. «Ich habe mit meiner Familie in der Schweiz wohl den Lotto-Sechser gezogen», erzählt der gelernte Automechaniker Blick.

Schon vor dem Kindergarten wusste der kleine Michael durch seine Adoptiveltern Bescheid über seine Herkunft. Sein Vater ist gebürtiger Schwede, mit blondem Haar und blauen Augen. «Es war auch für alle offensichtlich, dass mein Vater nicht mein leiblicher Vater sein konnte. Ich war ein Exot in unserem Dorf, aber das war kein Problem. Ich hatte immer Freunde und wurde akzeptiert», sagt er.

Vom Automechaniker wechselte er nach der RS in den Autoverkauf und später in die Kosmetikbranche und war zuletzt langjähriger Chief Operating Officer einer Kosmetikfirma.

Der begeisterte Hockeyaner war daneben jahrelang als Schiedsrichter in der höchsten Schweizer Liga im Einsatz und später nebenberuflich beim Schweizer Fernsehen im Sport tätig.

Faszinierende Gegensätze und herzliche Menschen

Erstmals reiste Michael Linke mit 28 Jahren mit einem Kollegen für Ferien nach Kolumbien. «Die Gegensätze und die Grösse haben mich fasziniert und auch die offene und herzliche Art der Menschen. Hier definiert sich nicht jeder über seine Arbeit», so Linke.

Er schwärmt von ländlichen abgelegenen Gegenden, dem pulsierenden Leben der Grossstadt Bogota, von Stränden und traumhaften Inseln im Norden des Landes sowie vom Amazonasgebiet und vom Klima. Kein Wunder hat er fortan immer wieder Ferien im Land verbracht, wo er seine Wurzeln hat.

Seit 2011 hat Michael Linke neben dem Schweizer auch den Kolumbianischen Pass. Nach seiner leiblichen Mutter hat Michael Linke bisher nie ernsthaft gesucht. «Dafür reichen ein paar Wochen Ferien nicht und ich bin auch etwas im Zwiespalt, ob ich meine Mutter wirklich kennenlernen möchte. Ich weiss von ihr nur, dass sie bei meiner Geburt erst Dreizehn war und ihre Familie aus armen Verhältnissen kam und mich darum zur Adoption freigab.»

Corona beschleunigte Auswanderungspläne

Dass Armut in Kolumbien ein Problem ist, hat der Doppelbürger längst auch selber festgestellt. «Der Durchschnittslohn liegt bei etwa 220 Franken.» Seit Oktober 2020 lebt er mit seinem Partner Davis Mina Garcia (36), einem Kolumbianisch-Venezolanischen Doppelbürger, in einer Dreieinhalbzimmer-Wohnung in Bogota. Kennengelernt hat sich das Paar vor rund zehn Jahren in der Schweiz. Vor drei Jahren trafen sie sich in Spanien zufällig wieder und verliebten sich.

Die wirtschaftliche Situation in Spanien wurde immer schwieriger und so reiste Davis Mina Garcia zurück nach Kolumbien. «Und dann kam Corona und machte das Reisen nochmals schwieriger. Davis und ich beschlossen, dass ich meine Wohnung und meinen gut bezahlten Job aufgebe und wir in Bogota unsere eigene Kosmetikfirma zusammen aufbauen», erzählt Linke, der die letzten Jahre in Zürich lebte.

Schattenseiten in Kolumbien

In einem besseren Quartier von Bogota hat das Paar eine Wohnung für rund 1200 Franken Monatsmiete gefunden. Nur 15 Autominuten entfernt liegt ihr Büro. «In unserer Gegend ist es ziemlich sicher, weil auch Botschaften und bekannte Persönlichkeiten hier sind und Polizei und Militär für Sicherheit sorgen», so Linke.

Kriminalität, Drogen, Korruption oder auch Demonstrationen gegen die Regierung, seien ein weiteres Problem im Land und man müsse auch in geschäftlichen Belangen vorsichtig sein, wem man vertraut. «Vor allem, wenn sie merken, dass man nicht von hier ist. Da werden die Preise plötzlich höher.»

Wenig freie Zeit für Vergnügen in der Aufbauphase

Mit Corona ist auch in Kolumbien das Leben nochmals schwieriger geworden. Maskenpflicht gilt auch im Freien und der Firmenaufbau lief wegen coronabedingten Lieferengpässen der Produkte erschwert. Dennoch ist Linke optimistisch, dass er dank langjährigen Beziehungen und Branchenerfahrung seine Produkte an die Frau bringt und eine neue Existenz aufbauen kann.

«Hier ist vieles noch etwas rückständig und für qualitativ gute Kosmetikprodukte gibt es hier eine Zielgruppe. Rund zehn Prozent der Bevölkerung ist vermögend», so Linke. In der wenigen freien Zeit in der Aufbauphase der eigenen Firma, ist das Paar vorwiegend neben der Arbeit mit seinen Hunden im Park auf Spaziergängen.

Zukunftspläne und Träume

Seine Zukunft sieht Michael Linke in Kolumbien zusammen mit seinem Lebens- und Geschäftspartner. Eine Heirat könnte für das Paar schon bald Thema sein und vielleicht auch ein Haus ausserhalb von Bogota. «Für etwa 200’000 Franken sind hier schöne Häuser zu haben. Wegen der Pandemie stehen einige Immobilien zum Verkauf», weiss Linke.

Denkbar ist für das Paar auch, dass es zwischen der Schweiz und Kolumbien pendelt, denn Linke fühlt sich seiner Familie und Freunden in der Schweiz verbunden und ist sich bewusst, welches Glück er hatte, in der Schweiz aufzuwachsen. «Im Rentenalter lebe ich aber in Kolumbien wohl besser, denn die Lebenskosten sind hier viel tiefer und auch wenn wir hier viel arbeiten, ist die Lebensqualität für uns höher.»

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