Paul Girsberger (71) erwartet Blick bereits in der Chesa Rähmi im oberen Dorfteil in Pontresina GR. Das denkmalgeschützte Haus wurde 1535 erbaut und gilt als Einzelbau, selbst wenn der Abstand zum Nachbarshaus auf der Rückseite lediglich 80 Zentimeter beträgt. «Früher waren die Häuser noch nicht so gut isoliert und geheizt. Die Nähe zu den Nachbarhäusern half gegen die Kälte im Winter», erklärt Girsberger.
Die Chesa Rähmi ist das älteste Wohnhaus in der Engadiner Gemeinde Pontresina. In diesem historischen Haus ist Paul Girsberger mit seinen vier Geschwistern aufgewachsen.
Das typische Engadinerhaus aus dicken Mauern, mit Scraffiti bemalt, und mit grossem runden Eingangstor aus Arvenholz ist das Vermächtnis von Girsbergers Grossvater mütterlicherseits, Simon Rähmi, der 1959 im Alter von 62 Jahren verstarb.
Ein Wohnhaus fast wie ein Museum
Beim Eintreten in den grossen, von Holz dominierten Eingangsbereich wähnt man sich in einer anderen Zeit. Es wirkt wie in einem Museum. So muss «Schellen-Ursli» aus dem bekannten rätoromanischen Kinderbuch von Selina Chönz und Alois Cariget gelebt haben.
Hier hat Girsberger mit seinen Geschwistern seine Kindheit verbracht und bis zum Abschluss seiner Kochlehre gelebt. Seit seiner Pensionierung verbringt der ehemalige Hotelier mit Wohnsitz im Appenzellerland wieder sehr viel Zeit mit seiner Ehefrau Madeleine im Haus seiner Kindheit und erzählt gern und viel über sein Elternhaus, die teils tragische Geschichte seines Grossvaters, sowie lustige Anekdoten von damals.
Spuren des Gründers der Ski- und Bergsteigerschule
Im rechten Teil des Hauses befindet sich ein kleines Skimuseum. Das kommt nicht von ungefähr: Grossvater Simon war der Gründer der ersten Skischule in Pontresina sowie der Bergsteigerschule in Pontresina. Er hat auch dem kleinen Paul und dessen Geschwistern das Skifahren beigebracht. «Damit hat mein Grossvater den Tourismus und den Aufschwung von Pontresina massgeblich mitgeprägt», so Girsberger.
Ein gerahmtes Werbeplakat der Gemeinde mit Simon Rähmi ziert das moderne Treppenhaus im hinteren Teil des Hauses, wo sich die modernen Ferienwohnungen von Paul Girsberger im Erdgeschoss und darüber die Maisonette-Wohnung seines Bruders Werner Girsberger (75) befinden.
Nostalgische Elemente aus der Vergangenheit
Links des Solers im Erdgeschoss ist das ehemalige Wohnzimmer und die Küche mit dem alten originalen Herd wo Pauls Mutter noch Capuns und Suppe für die Familie kochte. «Es funktioniert noch alles und wenn wir grössere Gruppen zum Essen haben, kann ich hier ein Fünf-Gang-Menü zubereiten», sagt Girsberger.
Vieles befindet sich noch in Originalzustand oder wurde, wo nötig, originalgetreu erneuert. In der Küche an der Decke hängen noch die Haken, wo Fleisch geräuchert wurde. Mutters Küchenwaage steht dekorativ auf der Anrichte aus Arve. «Die Decken waren früher vom Räuchern und Heizen mit Holz ganz schwarz», erinnert sich der Hausbesitzer.
Aufwändige Umbauarbeiten während drei Jahren
Nach dem Tod der Mutter im Jahr 2007 zahlten Werner und Paul Girsberger die Geschwister aus und bauten das Haus während drei Jahren lang um. «Wir haben das Haus fast komplett ausgehöhlt und mussten es auch von unten erdbebensicher abstützen, weil es vorher kein Betonfundament hatte», erklärt Paul Girsberger.
Die Umbauideen haben die Brüder gemeinsam entwickelt, die Pläne stammen von Werner Girsberger, der bis zur Pensionierung als Architekturprofessor tätig war. So wurde das historisch wertvolle Haus modernisiert und mit einigen raffinierten Details ausgestattet, ohne den ursprünglichen Charakter zu verlieren und vieles wurde aufgefrischt und wiederverwertet. So auch die Holzböden im Haus. «Die ursprünglich acht Zentimeter dicken Holzböden wurden auf vier Zentimeter Dicke halbiert. So konnten wir diese ursprünglichen Böden wiederverwenden», erklärt Paul Girsberger.
Neu dagegen sind die Küchen in den Privatwohnungen der Brüder und in der Ferienwohnung, sowie sämtliche Bäder und eine Sauna für die Eigentümer im Untergeschoss.
Stammgäste in der beliebten Ferienwohnung
Über dem Wohnzimmer und der Küche, wo einst der kleine Paul mit seinen Brüdern sein Schlafzimmer hatte, ist seit dem Umbau das Schlafzimmer der Ferienwohnung mit eigener Küche, offenem Wohn- und Essbereich und modernem Bad, sowie einem Balkon mit Sicht in die Bündner Berge.
Paul Girsberger freut sich, dass sein Elternhaus mit der Ferienwohnung gefällt und gut gebucht wird: «Die Wohnung ist in der Hochsaison bis 2026 schon ausgebucht. Wir haben viele Gäste, die jedes Jahr gleich wieder buchen.»
Keine Chance für Kaufinteressenten
Aber auch Kaufinteressenten melden sich immer wieder bei Girsbergers. Vergeblich. «Unsere Mutter war noch nicht unter der Erde, als uns schon vor dem Umbau über drei Millionen Franken für unser Haus angeboten wurden und auch nachher kamen verschiedene Anfragen. Ein Verkauf ist aber kein Thema. Das ist meine Heimat.»
Seine Ferienwohnung im Haus haben er und seine Ehefrau schon den beiden Kindern überschrieben, die mit den Enkelkindern auch immer gern Ferien im Engadinerhaus verbringen. Das Vermächtnis des Grossvaters tragen alle Erben in Ehren. Sie haben nicht nur viel Geld für den Erhalt investiert, sondern auch Herzblut.
Der Stolz des Heimweh-Bündners über sein Elternhaus ist Girsberger deutlich anzuhören. «Das Haus kann sich sehen lassen. Darum möchten wir auch an den «Open-Days» unsere Türe öffnen und unser Engadinerhaus der Öffentlichkeit zeigen und mit unserer Chesa Rähmi auch etwas über die Engadiner Geschichte erzählen.»
Kostenlose Führungen im Engadin
Am 25. und 26. Juni öffnen vom bergellisch-italienischen Grenzdorf Castasegna bis zum Oberengadiner S-chanf im Rahmen der erstmaligen Architektur-Veranstaltung «Open Doors Engadin» über 80 Bauten analog zum Konzept von «Open House Zürich» oder «Open House Basel» ihre Häuser.
Wie Paul Girsberger öffnen sie ihre Türen, bieten kostenlose Führungen an und gewähren Einblicke in historische sowie moderne Bauwerke im Engadin.