Behaglich Wohnen im Winter
Bloss nicht zu viel Weiss!

Im Winter ziehen wir uns mehr in unser Zuhause zurück. Doch viele Räume und ihre Einrichtung tun uns nicht gut. Ein erfahrener Wohnpsychologe sagt im Interview, warum Holz so wichtig ist – und zu viel Weiss im Haus schädlich.
Publiziert: 17.12.2024 um 00:06 Uhr
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Aktualisiert: 17.12.2024 um 15:04 Uhr
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Zu viel Weiss ist schlecht für unser Nervensystem.
Foto: Pius Koller

Auf einen Blick

  • Im Winter brauchen wir Wärme und Geborgenheit
  • Manche Materialien und Farben laufen dem Bedürfnis zuwider
  • Pflanzen und ganz bestimmte Wandbilder schaffen Abhilfe
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Rebecca WyssRedaktorin Gesellschaft

Räume prägen Menschen. Wie wir wohnen, beeinflusst, wie wir uns fühlen. Und das spüren wir besonders in der kalten Jahreszeit, wenn wir viel Zeit drinnen verbringen. Inwiefern, erklärt der österreichische Wohnpsychologe Herbert Reichl (61) im Interview.

Herr Reichl, was brauchen wir im Winter, um uns daheim wohlzufühlen?
Herbert Reichl: In der kalten Jahreszeit haben wir vermehrt ein Bedürfnis nach Wärme und Geborgenheit. In vielen Häusern und Wohnungen findet man das heutzutage kaum. Die moderne Architektur ist oft kühl, nüchtern und naturfern. Dies tut dem Menschen nicht gut.

Wie zeigt sich das?
Oft sind Möbel, Wände und Böden weiss. Es gibt zu viele harte Oberflächen. Weiche und geschwungene Formen sowie Stoff und Polster sind wichtig, damit wir entspannen können. Zu viel Stein oder Glas beeinflusst die Akustik negativ. Es hallt viel mehr. Auch von Glastischen rate ich ab.

Herbert Reichl

Herbert Reichl wurde 1963 in Salzburg (A) geboren. Er machte eine Baumeister-Ausbildung und studierte Psychologie. 2014 gründete er mit einem Kollegen das Institut für Wohn- und Architekturpsychologie in Graz (A). Reichl ist verheiratet und hat eine Tochter. Mehr Infos: www.iwap.eu.

Herbert Reichl wurde 1963 in Salzburg (A) geboren. Er machte eine Baumeister-Ausbildung und studierte Psychologie. 2014 gründete er mit einem Kollegen das Institut für Wohn- und Architekturpsychologie in Graz (A). Reichl ist verheiratet und hat eine Tochter. Mehr Infos: www.iwap.eu.

Warum?
Sie sind für das Wohlbefinden nicht förderlich, weil man ihre Kanten nicht sieht. Sie sind zu transparent und geben uns keine Stabilität. Das verunsichert uns. Der Mensch braucht Stabilität. Aus dem gleichen Grund sind auch dunkle Böden so wichtig.

Was ist so falsch an einem hellen Plattenboden?
Dunkle Böden signalisieren, dass sie tragfähig sind. Viele sind hell und spiegeln. Da hat man schnell den Eindruck, dass man nicht sicher stehen kann. Besonders für ältere und gebrechliche Menschen ist das unangenehm.

Im Winter bekommt man Werbung mit Menschen in Holzhütten zu Gesicht. Warum taugt das Material als Werbemittel?
Holz verleiht ein Geborgenheitsgefühl. Und es ist ein gesund machender Stoff. Es hat ganz besondere Eigenschaften, die sich positiv auf unsere Psyche auswirken. Wenn wir angespannt oder gestresst sind, führt das oft zu Angst. Das Holz wirkt beruhigend. Gleichzeitig zeigen Studien, dass Holz den Sympathikus anregt und damit aktivierend wirkt.

In Graubünden riecht es in vielen Häusern nach Arvenholz, wie wirkt sich der Duft auf die Bewohner aus?
Was man riecht, sind die Terpene. Diese sind gesundheitlich wichtig. Forscher haben herausgefunden, dass der Körper wegen diesen Stoffen mehr Abwehreinheiten des Immunsystems produziert. Sie bekämpfen Krankheitserreger und potenzielle Tumorzellen.

Die Universitätsklinik Wuppertal fand bei einem Experiment heraus, dass Intensivpatienten je nach Farbe der Räume besser genesen. Welche Farben tun uns gut?
Kühlere Farben wie ein Grün mit etwas Gelbanteil oder Blau sind gut zum Herunterkommen. Sie verleihen zudem Ruhe in Räumen, wo man arbeitet. Wärmere Farben wie ein gedämpftes Orange oder Beige unterstützen körperliche Aktivität und eignen sich für den Küchen- oder Essbereich. Ungünstig ist es, wenn ein Raum komplett weiss ist.

Warum?
Weiss ist keine Farbe. Weiss ist fast reizlos. Unser Nervensystem braucht aber Sinnesreize. Sind nicht genug vorhanden, führt das zu einer Unterstimulation. Man weiss, dass ein von Aussenreizen komplett abgeschirmter Mensch Angstzustände und Halluzinationen bekommen kann. Also: lieber zu viel farbliche Reize als zu wenig.

Was ist mit Zimmerpflanzen? Sind wir im Winter mehr auf sie angewiesen als im Sommer?
Auf alle Fälle. Die Natur wirkt erholsam auf uns. Zimmerpflanzen helfen dabei. Auch der Blick ins Freie ist wichtig. Im Winter ist es oft neblig, die Sonne fehlt und die Natur ist weniger üppig und grün. Das kann man mit Pflanzen und mit Naturbildern an den Wänden kompensieren.

Diese Bilder reichen als Naturersatz?
Unter bestimmten Bedingungen. Das Naturbild sollte so gross wie ein Fenster sein. Optimalerweise ist es hinterleuchtet, so dass eine Tiefe entsteht. Und man sollte es direkt im Blickfeld haben. Zudem sollte das Motiv wohltuend sein. Studien zeigen, dass die Aufmerksamkeit schon nach einer Minute Bildanschauen wieder besser ist.


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