Diese Häuser haben Geschichte
Neues Leben für historische Bauten

Die Philosophie von Gabriel Müller (50) aus Frauenfeld TG ist es, wenn immer möglich Bestehendes zu erhalten und nachhaltig zu erneuern. Das lebt der Architekt beruflich und privat und hofft auf Nachahmer.
Publiziert: 08.03.2020 um 12:06 Uhr
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Aktualisiert: 10.07.2020 um 13:00 Uhr
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Das Trompetenhüsli in Frauenfeld war fast 80 Jahre unbewohnt und war vor dem Umbau kein Schmuckstück.
Foto: zVg
Corine Turrini Flury

Gabriel Müller (50) ist keiner, der viel plaudert. Wenn es aber um alte Häuser geht und deren Renovation, dann gerät der Architekt aus Frauenfeld TG ins Schwärmen und erzählt mit einer Leidenschaft über Baukultur, traditionelles Handwerk, über wertige Materialien und von bauhistorische Geschichten, die seinesgleichen suchen.

Nicht mit dem Nachhaltigkeitstrend, sondern aus langjähriger Überzeugung hat er sich mit seinem Team schon seit 1995 darauf spezialisiert, alte Gebäude zu erhalten, zu sichern und zu restaurieren. «Mir liegt unser einmaliges Baukulturgut am Herzen», sagt der dreifache Familienvater.

Vom Gammelhaus zum Bijou

Rund 150 Gebäude hat der Architekt mit seinem Team im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit inzwischen renoviert und konnte so manche historische Liegenschaft erhalten und zeitgemäss erneuern. So auch das Trompetenhaus in der Frauenfelder Holdervorstadt. Ein «Gammelhaus», an dem gegen 80 Jahre lang nichts verändert wurde und an das sich niemand wagen wollte. «Es ist das drittälteste Gebäude der Stadt. Bei den einen war es als Abbruchobjekte verschrien, bei den anderen gilt es als ein Stück originale Stadtgeschichte», so der Architekt zu BLICK.

Müller hat diese Liegenschaft erworben und umfangreich restauriert. Nach 50 Jahren unbewohnt sein, entstand aus dem Trompetenhüsli ein Bijou: Das Riegelhaus von 1545 erstrahlt in neuem alten Glanz. Beim Trompetenhüsli ist der ganze Holzbau repariert und gesichert worden. Auf den alten Bollensteinfundamenten wurde der Riegelbau gerichtet, die Zwischendecken gesichert und der Dachstuhl sichtbar bleibend restauriert.

Ausbauelemente aus dem bestehenden Innenausbau wie beispielsweise barocke Fenster, alte Türen, Platten- und Holzböden und mehr wurden nach der Substanzsicherung restauriert und wiederverwendet und neu mit Bauteilen wie Fenster mit Butzenscheiben oder einem Kachelofen von 1774 aus dem Bauteillager von Müller zur Wiederverwendung ergänzt. «Solche Renovationen sind mein Alltag – und die schönste berufliche Herausforderung, weil diese Häuser unverfälscht und vielfach im Originalzustand die Zeit überdauert haben», erklärt Müller. Im oberen Stockwerk wird Müller mit seinem Architekten-Team ab April neu einziehen, im Parterre zieht ein Bistro kombiniert mit einem Unverpackt-Laden ein.

Wohnen in einer Abbruchliegenschaft

Aber auch privat bleibt Müller seiner Philosophie treu. Vor 23 Jahren hat er für sich und seine Familie ein Abbruchliegenschaft aus dem Jahr 1903 gekauft. Im oberen Stockwerk des Klassizistischen Wohnhaus lebt er mit seiner Familie. Die Wohnung im unteren Stockwerk ist vermietet. Sein Haus hat er über Jahre in Etappen im Bestand mit viel Eigenleistung restauriert und mit einem modernen Holzelementanbau ergänzt.

Fragt man Müller zu den Umbau- und Renovierungskosten solch alter Bauten, sagt er: «Das ist in etwa im gleichen Rahmen wie ein Neubau. Es ist aber eine ganz andere Wohn- und Lebensqualität und steht auch für Wertschätzungen zum regionalen Handwerk, das noch heute so gelebt wird.» Müller schwärmt von knarrenden Holzböden und Details wie einer Glastrennscheibe im Bad aus einer Zürcher Villa, die in seiner Wohnung neu eingebaut statt entsorgt wurde und von anderen wiederverwerteten Bauelementen.

Als Patriot versteht sich Müller nicht, sondern er möchte eine sachliche und allgemeine Sensibilisierung für unser gebautes Umfeld in der Schweiz aufzeigen und dass es sich lohnen kann, wenn sich noch mehr Menschen dem historischen Bestand an Gebäuden annehmen würden. Zudem möchte er die Angst und Vorurteile von der «bösen» Denkmalpflege nehmen und die Befürchtung, dass der Heimatschutz zu viele Auflagen macht und solche Bauvorhaben verteuert. «Wir haben mit dem Heimatschutz und der Denkmalpflege bei unseren Projekten gute Erfahrungen gemacht», so Müller.

Schrauben und Werken als Hobby

Dennoch muss auch der Fachmann eingestehen, dass sich eine Renovation nicht immer lohnt. «Ein erfahrener Architekt hat aber ein Gespür dafür und kann einschätzen, was nötig und machbar ist.» Manchmal sind auch kreative Problemlösungen nötig. So beispielsweise beim nächsten Projekt von Müller. Das alte Hexenhüsli konnte nicht am alten Standort in Frauenfeld bleiben. «Das war eine ‹Schnapsidee› von mir mit Freunden und Handwerkern, die sich ebenfalls für alte Bauten begeistern.»

Das kleine Haus inklusive Innenausbau wurde komplett abgebaut und wird demnächst auf einem neuen Grundstück neu aufgebaut», erzählt Müller. Neben seinem Beruf und der Familie investiert er mit seinen Freunden auch oft und gern Zeit in Renovationsarbeiten. Lachend sagt er: «Andere haben einen Oldtimer und schrauben in der Freizeit daran. Wir schrauben einfach gern an alten Häusern, damit wir sie erhalten können.»

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